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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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brachten stets neue Beschwerden mit,
unzufrieden, eifersüchtig, erbittert über alles, was Rougon für sie
getan hatte, von einem heftigen Fieber der Undankbarkeit
geschüttelt.
    »Haben Sie den Dicken heute gesehen?« fragte der Oberst.
    Jetzt war Rougon nicht mehr »der große Mann«.
    »Nein«, erwiderte Clorinde. »Vielleicht
sehen wir ihn heute abend; mein Mann ist darauf versessen, ihn mir
zu bringen.«
    »Ich bin heute nachmittag in einem Kaffeehause gewesen, wo sehr
scharf über ihn geurteilt wurde«, nahm der Oberst wieder das Wort.
»Man versicherte, daß er wanke und sich kaum noch acht Wochen werde
halten können.«
    Herr Kahn bemerkte mit geringschätziger Gebärde:
    »Ich gebe ihm keine drei Wochen mehr … Sehen Sie, Rougon
ist nicht zum Regieren geschaffen, er liebt die Macht zu sehr, er
berauscht sich daran, und dann haut er kreuz und quer, regiert mit
Stockschlägen, mit einer empörenden Roheit … Seit fünf Monaten
hat er Ungeheuerlichkeiten vollbracht … «
    »Ja, ja,« unterbrach ihn der Oberst, »alle Arten von
Gesetzesüberschreitungen, Ungerechtigkeiten,
Widersinnigkeiten … Er treibt einen wahren Mißbrauch …
«
    Frau Correur drehte, ohne zu reden, die Finger in der Luft
herum, um anzudeuten, es sei mit ihm nicht ganz richtig.
    »Ganz recht«, nahm Herr Kahn, der diese Gebärde bemerkt hatte,
wieder das Wort. »Sein Kopf steht nicht mehr ganz gerade, wie?«
    Da man ihn ansah, glaubte auch Herr Béjuin etwas sagen zu
müssen, er murmelte also:
    »Rougon ist nicht klug, durchaus nicht klug.«
    Clorinde betrachtete, den Kopf auf ihre Kissen gelagert, den
Lichtkreis, den die Lampe an die Decke warf, und ließ sie
schwatzen. Als sie schwiegen, sagte sie ihrerseits, um sie vorwärts
zu treiben:
    »Ohne Zweifel hat er Mißbrauch getrieben; aber er behauptet,
alles, was man ihm vorwirft, nur in der Absicht getan zu haben,
sich seine Freunde zu verbinden … Ich sprach erst neulich mit ihm darüber. Die Dienste, die
er Ihnen erwiesen hat … «
    »Uns! Uns?« riefen alle vier zugleich wütend.
    Sie redeten durcheinander, sie wollten auf der Stelle
protestieren. Aber Herr Kahn schrie am lautesten:
    »Die Dienste, die er mir erwiesen hat – dieser Hohn! … Ich
habe zwei Jahre auf meine Konzession warten müssen, und das hat
mich ruiniert! Es war ein glänzendes Geschäft, ist aber sehr faul
geworden … Wenn er mich so sehr liebt, weshalb kommt er mir
jetzt nicht zu Hilfe? Ich habe ihn gebeten, beim Kaiser ein Gesetz
zu erwirken, das die Verschmelzung meiner Gesellschaft mit der der
Westbahn anordnet; er hat mir geantwortet, ich müsse warten …
Rougons Dienste, ah! die möchte ich sehen! Er hat nie etwas getan
und kann nichts mehr tun!«
    »Und ich, und ich,« fuhr der Oberst fort, Frau Correur das Wort
abschneidend, »glauben Sie, daß ich ihm etwas verdanke? Er wird
doch nicht von dem Kommandeurkreuz reden wollen, auf das ich fünf
Jahre warten mußte … Er hat August allerdings in seine Bureaus
aufgenommen, aber das tut mir jetzt nicht wenig leid. Hätte ich
August zur Industrie gehen lassen, bekäme er jetzt schon doppelt so
viel. Dies Vieh von Rougon hat mir gestern erklärt, August vor
anderthalb Jahren nicht befördern zu können. Wenn er so seinen
Kredit für seine Freunde zugrunde richtet!«
    Endlich gelangte Frau Correur dazu, sich zu erleichtern. Sie
neigte sich zu Clorinde und begann:
    »Sagen Sie, Madame, mich kann er doch nicht genannt haben?
Niemals habe ich etwas von ihm erhalten. Seine Wohltaten soll ich
erst noch kennenlernen. Er kann nicht soviel sagen, und wenn ich
sprechen wollte … Ich habe ihn für mehrere meiner Freundinnen
um verschiedenes gebeten, das leugne ich
nicht; ich bin gern gefällig. Eine Bemerkung habe ich dabei
gemacht: alles, was er bewilligt, läuft übel ab, seine Gunst
scheint den Leuten Unglück zu bringen. So diese arme Herminie
Billecoq, eine ehemalige Schülerin von St. Denis, die ein Offizier
verführt hat, und für die er eine Aussteuer beschafft hat. Heute
früh kommt sie zu mir gelaufen und erzählt mir das Unglück: sie
wird sich nicht verheiraten, der Offizier ist durchgebrannt,
nachdem er die Mitgift verjuxt hat … Verstehen Sie? Immer für
andere, nie für mich. Ich habe mich in letzter Zeit entschlossen,
als ich von Coulonges mit meiner Erbschaft zurückgekehrt bin, ihm
die Machenschaften der Frau Martineau zu erzählen. Ich wollte bei
der Teilung das Haus, worin ich geboren bin, und dieses Weib hat es
für sich

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