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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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erhoben und
umgaben Clorinde. Es entwickelte sich eine leise und rasch
geführte, in kurzen Worten sich bewegende Unterhaltung in
italienischer Sprache. Sie schien ihnen Anweisungen zu geben. Einer
trug in Geheimschrift Bemerkungen in ein Heft ein, während die
beiden anderen, offenbar sehr erregt durch das, was sie gehört
hatten, die behandschuhten Finger an den Mund preßten, um das
Schreien zu unterdrücken. Dann gingen sie alle drei hintereinander
hinaus; ihre Gesichter waren undurchdringlich.
    An diesem Donnerstagabend sollte zwischen mehreren Ministern
eine Konferenz in einer wichtigen Angelegenheit stattfinden; es
hatte sich in einer Lebensfrage ein Streit erhoben. Als Delestang
nach Tische ausging, versprach er Clorinde, Rougon mitzubringen.
Sie zog ein schiefes Gesicht, als wolle sie ihm zeigen, daß ihr
nichts daran liege, ihn zu sehen. Sie hatten sich noch nicht
entzweit, aber sie nahm ihm gegenüber ein immer kühleres Benehmen
an.
    Gegen neun Uhr kamen Herr Kahn und Herr Béjuin als die ersten,
gleich darauf Frau Gorreur. Sie fanden Clorinde in ihrem Zimmer,
behaglich auf einem Ruhebett ausgestreckt. Sie klagte über eines
jener unbekannten und seltsamen Übel, die sie von Zeit zu Zeit
heimsuchten; diesmal mußte sie beim
Trinken eine Fliege verschluckt haben, sie fühlte sie in ihrem
Magen herumfliegen. In ihre große, schwarze Samtbluse gehüllt, den
Oberkörper durch drei Kissen gestützt, war sie von einer
königlichen Schönheit; mit dem blassen Gesichte und den nackten
Armen schien sie eine jener Statuen, die träumend an Denkmälern
liegen. Zu ihren Füßen griff Luigi Pozzo sanft in die Saiten einer
Gitarre; er hatte die Malerei mit der Musik vertauscht.
    »Bitte, setzen Sie sich 1« flüsterte sie. »Sie werden mich
entschuldigen. Ich habe ein Tier im Magen, das, ich weiß nicht wie,
hineingekommen ist … «
    Pozzo fuhr fort seine Gitarre zu zupfen, wozu er mit verzücktem
Gesicht wie traumverloren sehr leise sang. Frau Correur rollte
einen Sessel neben die junge Frau, Herr Kahn und Herr Béjuin fanden
endlich leere Stühle. Das war nicht leicht, denn die fünf bis sechs
Sitze des Zimmers verschwanden ganz unter Kleiderhaufen. Als nach
fünf Minuten der Oberst und sein August kamen, mußten sie
stehen.
    »Kleiner,« sagte Clorinde zu August, den sie trotz seiner
siebzehn Jahre noch immer duzte, »geh doch und hole zwei Stühle aus
dem Ankleidezimmer.
    Es waren Rohrstühle, von denen der Firnis ganz abgesprungen war,
weil beständig feuchte Wäsche auf ihnen umherlag. Eine einzige
Lampe, von einer rosa Papierspitze bedeckt, erleuchtete das Zimmer,
eine zweite stand auf dem Toilettentische und eine dritte im
Nebenraum, durch dessen große Tür man in dämmerige Tiefen sah, wie
in Zimmer, worin nur Nachtlampen brennen. Das Schlafzimmer selbst,
dessen einst malvenfarbene Tapete zu einem schmutzigen Grau
geworden war, schien mit einem verhaltenen Dunste gefüllt, man
konnte abgerissene Sesselecken, Staubschichten auf den Möbeln und
einen großen Tintenfleck mitten auf dem Teppich nur undeutlich
unterscheiden – ein Tintenfaß mußte dort
hingefallen sein, dessen Inhalt das Getäfel schwarz bespritzt
hatte; im Hintergrunde waren die Vorhänge des Bettes zugezogen,
zweifellos um die Unordnung der Decken nicht sehen zu lassen. In
diesem Schatten erhob sich ein scharfer Geruch, als ob alle
Fläschchen des Ankleidezimmers offen geblieben seien. Clorinde
bestand hartnäckig darauf, daß selbst in der warmen Jahreszeit nie
ein Fenster geöffnet werde.
    »Das riecht hier aber gut bei Ihnen«, bemerkte Frau Correur, um
ihr ein Kompliment zu machen.
    »Das kommt von mir, ich rieche gut«, versetzte die junge Frau
kindlich.
    Damit erzählte sie von den Essenzen, die sie vom
Parfümlieferanten der Sultanin selbst bekomme. Sie hielt Frau
Correur einen ihrer nackten Arme unter die Nase. Ihre schwarze
Samtbluse hatte sich etwas verschoben, ihre Füße, die in roten
Pantöffelchen staken, wurden sichtbar. Pozzo, berauscht, fast
ohnmächtig durch die starken Düfte, die von ihr ausströmten,
bearbeitete sein Instrument mit leichten Daumengriffen.
    Nach einigen Minuten jedoch wandte sich das Gespräch auf Rougon,
wie es jeden Donnerstag und jeden Sonntag geschah. Die Gesellschaft
vereinigte sich nur, um diesen ewigen Gegenstand zu erschöpfen; es
war ein dumpfer und wachsender Groll, ein Bedürfnis, sich durch
endlose Klagen zu erleichtern. Clorinde gab sich nicht einmal die
Mühe, sie aufzustacheln, sie

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