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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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behalten … Wissen Sie, was seine einzige Antwort war?
Er hat mir dreimal wiederholt, er wolle sich mit dieser häßlichen
Geschichte nicht mehr befassen.«
    Inzwischen regte sich Herr Béjuin ebenfalls. Er stotterte.
    »Mir ist es ebenso gegangen … Ich habe ihn nie um etwas
gebeten, niemals! Alles, was er hat tun können, ist gegen meinen
Willen geschehen, ohne daß ich etwas davon wußte. Er benutzt unser
Schweigen dazu, uns an sich zu reißen; ja, das ist der richtige
Ausdruck: an sich zu reißen.«
    Seine Stimme erstickte in einem Gemurmel. Alle vier fuhren fort
zu nicken. Dann erhob Herr Kahn wieder feierlich seine Stimme:
    »Die Wahrheit ist die: Rougon ist ein Undankbarer. Sie erinnern
sich der Zeit, als wir alle in Paris uns müde rannten, um ihn zum
Minister zu erheben. Wir waren seiner Sache so ergeben, daß wir
darüber Speise und Trank vergaßen. In jener Zeit hat er eine Schuld
auf sich genommen, die er sein ganzes Leben lang nicht abtragen
kann. Donnerwetter! Heute fällt ihm die
Dankbarkeit schwer, und er läßt uns laufen. So mußte es
kommen!«
    »Ja, ja, er schuldet uns alles!« riefen die anderen. »Er dankt
es uns schön!«
    Dann erdrückten sie ihn mit der Aufzählung ihrer Wohltaten; und
sobald einer von ihnen schwieg, berichtete ein anderer eine noch
gewichtigere Tat. Plötzlich jedoch vermißte der Oberst seinen Sohn,
der nicht mehr im Zimmer war. In diesem Augenblick drang ein
seltsames Geräusch aus dem Ankleidezimmer, eine Art sanftes,
fortwährendes Plätschern. Der Oberst eilte hin, um nachzusehen, und
fand August sehr eifrig bei der Badewanne beschäftigt, die Antonia
auszuleeren vergessen hatte. Zitronenscheiben, die Clorinde für
ihre Nägel gebraucht hatte, schwammen darin umher. August tauchte
seine Finger hinein und beroch sie mit der Lüsternheit eines
Schülers.
    »Der Kleine ist unausstehlich!« sagte Clorinde halblaut. »Er
schnüffelt überall umher.«
    »Mein Gott!« fuhr Frau Correur sanft fort, die nur auf das
Hinausgehen des Obersten gewartet zu haben schien, »was Rougon vor
allem fehlt, ist der Takt … So – unter uns gesagt, solange der
gute Oberst nicht da ist – hat Rougon sehr unrecht getan, diesen
jungen Menschen in das Ministerium aufzunehmen und sich dabei über
die Vorschriften hinwegzusetzen. Man erweist seinen Freunden keine
Dienste dieser Art; man verscherzt sich dadurch alle Achtung.«
    Aber Clorinde unterbrach sie leise:
    »Meine Liebe, sehen Sie doch nach, was sie da machen!«
    Herr Kahn lächelte. Als Frau Correur gegangen war, flüsterte er
seinerseits:
    »Sie ist reizend! … Der Oberst ist von Rougon wahrhaft
überschüttet worden. Aber sie hat sich auch nicht zu beklagen.
Rougon hat sich um ihretwillen in dieser ärgerlichen Geschichte mit dem Martineau stark kompromittiert. Er
hat dabei sehr wenig Anstand gezeigt. Man begeht keinen Mord, um
einer alten Bekanntschaft einen Dienst zu erweisen, nicht
wahr?«
    Er hatte sich erhoben, und trippelte hin und her. Dann ging er
in das Vorzimmer, um seine Zigarrentasche aus dem Überrocke zu
holen. Der Oberst und Frau Correur kehrten zurück, und ersterer
sagte:
    »Seht doch, Kahn hat sich davongemacht!«
    Und ohne Übergang rief er:
    »Wir hier können Rougon braun und blau schlagen. Nur Kahn, finde
ich, sollte sich davon fernhalten. Ich mag herzlose Leute nicht
leiden … Ich wollte nicht davon reden. Aber in dem Café, wo
ich heute nachmittag gewesen bin, sagte man es geradeheraus, Rougon
werde stürzen, weil er seinen Namen zu dieser großartigen
Spitzbüberei mit der Bahn von Niort nach Angers hergegeben hat. Man
hat eine feine Nase in dieser Beziehung! Dieser dicke Schafskopf,
der Sprengschüsse abfeuert und meilenlange Reden hält, worin er
sich sogar erlaubt, den Kaiser einzubeziehen! … Sehen Sie,
liebe Freunde! Kahn hat uns da schön hineingeritten! Wie, Béjuin,
sind Sie auch dieser Ansicht?«
    Herr Béjuin nickte lebhaft. Er hatte schon seine ganze
Zustimmung für Frau Correur und Herrn Kahn ausgegeben. Clorinde,
den Kopf noch immer zurückgelehnt, unterhielt sich damit, in die
Troddel ihres Gürtels zu beißen, die sie auf ihrem Gesichte
herumtanzen ließ, wie um sich zu kitzeln, und öffnete ihre Augen
weit, die schweigend ins Blaue hineinlachten.
    »St!« hauchte sie.
    Herr Kahn trat eben wieder ein, die Spitze einer Zigarre mit den
Zähnen abbeißend. Er zündete sie an, was im Zimmer der jungen Frau
erlaubt war, blies drei oder vier dicke Rauchwolken von sich und fuhr dann in

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