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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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marokkanischen Bahn; vor kaum acht
Tagen endlich hatte das Unternehmen der ägyptischen Kanäle, durch
seine Helfershelfer eingeführt, mit einem ungeheuren Krach geendet,
da die Aktionäre erfahren hatten, daß in den zwei Jahren, während
deren sie beständig ihre Beiträge zahlten, nicht ein Spatenstich
geschehen war. Endlich griffen sie den Mann selbst an, bemüht, das
hochtrabende Wesen eines vornehmen Abenteurers, das er an den Tag
legte, zu verkleinern; von alten Krankheiten sprechend, welche ihm
später einen üblen Streich spielen würden; sie hatten sogar an
seiner Gemäldesammlung vieles auszusetzen.
    »Er ist ein Räuber in der Haut eines Hanswurst«, sagte Du Poizat
endlich.
    Rougon hob langsam den Kopf, sah die beiden mit seinen großen
Augen an und sagte:
    »Was nützt euch all das Gerede? Marsy besorgt seine Geschäfte,
wie ihr die eurigen besorgen wollt… Wir verstehen einander nicht.
Wenn ich ihm selbst eines Tages die Rippen zerbrechen könnte, würde
ich es sehr gerne tun. Aber trotz allem,
was ihr da erzählt, ist Marsy ein feiner Kopf. Wenn er einmal
Appetit nach euch bekäme, er würde euch beide mit Haut und Haar
verschlingen. Das sage ich euch!«
    Er erhob sich, des Sitzens müde, reckte sich und fügte laut
gähnend hinzu:
    »Um so mehr, liebe Freunde, als ich mich ihm jetzt nicht mehr in
den Weg stellen könnte.«
    »Wenn Sie nur wollten,« murmelte Du Poizat mit geschmeidigem
Lächeln, »könnten Sie Marsy in eine schöne Patsche bringen. Sie
haben hier Papiere, die er sehr teuer bezahlen würde… Sehen Sie, da
unten die Akten Lardenois', worin er eine so sonderbare Rolle
spielt. Ich erkenne da einen höchst merkwürdigen Brief von ihm, den
ich selbst Ihnen seinerzeit überbracht habe.«
    Rougon hatte eben die Papiere, mit denen er nach und nach den
Korb gefüllt hatte, in den Kamin geworfen. Die Bronzeschale hatte
nicht ausgereicht.
    »Man schlägt einen Gegner tot, aber man kratzt ihn nicht. Alle
Welt hat solche dumme Briefe, die bei anderen herumliegen«,
versetzte er mit verächtlichem Achselzucken.
    Damit nahm er den Brief, zündete ihn an der Kerze an und setzte
damit den Haufen Papier in Brand, den er in den Kamin geworfen
hatte. Er hockte einen Augenblick schwerfällig da und überwachte
die brennenden Blätter, die bis auf den Teppich rollten. Manche
dicken Verwaltungsakten verkohlten und drehten sich zusammen wie
Bleiplatten, zierliche Karten und Wische, mit plumpen Schriftzügen
bedeckt, brannten mit kleinen blauen Flammen, während inmitten des
Scheiterhaufens unter dem Funkenregen einzelne angebrannte
Bruchstücke leserlich blieben.
    In diesem Augenblicke tat sich die Tür weit auf, und eine
lachende Stimme sagte: »Schon gut, ich
werde Sie entschuldigen, Merle… Ich bin hier zu Hause. Wenn Sie
mich hier nicht hätten eintreten lassen, würde ich ganz gewiß durch
den Sitzungssaal gegangen sein.«
    Es war Herr d'Escorailles, den Rougon vor einem halben Jahre zum
Beisitzer im Staatsrate hatte ernennen lassen. Er führte die
hübsche Frau Bouchard am Arm, die in einem lichten Frühlingskleide
frisch und blühend aussah.
    »So muß es kommen! Nun auch noch Weiber!« brummte Rougon.
    Er verließ den Kamin nicht gleich, sondern blieb auf der Erde
hocken mit der Feuerschaufel in der Hand, womit er die Flammen
dämpfte aus Furcht, es könne ein Brand entstehen. Er erhob den
dicken Kopf mit unzufriedenem Ausdruck, aber Herr d'Escorailles
ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Er wie die junge Frau
hatten schon auf der Schwelle zu lachen aufgehört und eine dem
Ernste der Gelegenheit angemessene Miene angenommen.
    »Lieber Meister,« sagte er, »ich bringe Ihnen eine Ihrer
Freundinnen, die darauf besteht, Ihnen ihr Bedauern auszudrücken…
Wir haben heute früh den Moniteur gelesen… «
    »Sie haben den Moniteur gelesen?« murrte Rougon, der sich
endlich entschloß aufzustehen.
    Dabei gewahrte er jemanden, den er noch nicht gesehen hatte, und
brummte augenzwinkernd:
    »Ah! Herr Bouchard!«
    Es war wirklich der Herr Gemahl, der eben hinter den Röcken
seiner Frau schweigend und würdevoll eintrat. Herr Bouchard war
sechzig Jahre alt, sein Kopf ganz weiß, sein Auge glanzlos, das
Gesicht gleichsam abgenutzt im fünfundzwanzigjährigen
Verwaltungsdienste. Er ergriff, ohne ein Wort zu sprechen, mit
teilnahmsvollem Ausdruck Rougons Hand und
schüttelte sie dreimal kräftig von oben nach unten.
    »Gut,« sagte Rougon, »es ist sehr liebenswürdig, daß Sie alle
mich besuchen –

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