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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Fenster abmaß, einem
Tapezierer Weisungen erteilte. Er war sehr überrascht. Sie erklärte
ihm, daß sie soeben ihren Bruder, Herrn Beulin d'Orchère,
gesprochen habe; von dem Sturze Rougons unterrichtet, sei der
Richter gekommen, um seine Schwester zu kränken, ihr seine
bevorstehende Ernennung zum Justizminister anzukündigen; kurz, er
versuchte, Unfrieden zwischen dem Ehepaare zu stiften. Frau Rougon
hatte sich begnügt, anspannen zu lassen, um ihre Übersiedelung
vorzubereiten. Sie bewahrte das graue, stille Antlitz einer
Frommgläubigen, die unwandelbare Ruhe einer guten Hausfrau. Mit
leisen Schritten ging sie durch die Zimmer, ergriff wieder Besitz
von diesem Hause, das sie mild und still gestaltet hatte wie ein
Kloster. Ihre einzige Sorge war, als treue Hüterin das Vermögen zu
verwalten, das ihrer Sorge anvertraut war. Rougon war gerührt beim
Anblick dieser dürren Gestalt mit ihrem ängstlichen
Ordnungssinn.
    Inzwischen war das Gewitter mit unerhörter Heftigkeit
losgebrochen. Der Donner grollte, das Wasser floß in Strömen.
Rougon mußte fast drei Viertelstunden warten. Er wollte sich zu
Fuße entfernen. Die Elyseefelder waren in ein Meer von gelbem,
flüssigem Brei verwandelt; vom Triumphbogen bis zum
Eintrachtsplatze schien das Bett eines
plötzlich geleerten Stromes sich hinzudehnen. Die Allee war noch
immer verödet; da und dort wagte sich ein Fußgänger durch die
Straße, die Spitze der Pflastersteine suchend; und von den Bäumen,
die in der stillen, frischen Luft dastanden, tropfte reichlich das
Wasser hernieder. Das Gewitter hatte am Himmel einen ungeheuren
Streif zerrissener, roter Wolken zurückgelassen; es war ein
schmutziges, tiefhängendes Gewölk, durch das ein Rest von trübem
Tageslicht herniederfiel, ein Zwielicht, wie es in einem Hohlwege
herrscht.
    Rougon vertiefte sich wieder in seinen verschwommenen
Zukunftstraum. Zuweilen verirrte sich ein Regentropfen auf seine
Hände. Er fühlte jetzt noch mehr jene gewisse Gebrochenheit seines
ganzen Wesens, als sei er auf irgendein Hindernis gestoßen, das ihm
den Weg versperre. Plötzlich vernahm er hinter sich ein lautes
Getrappel, einen herannahenden, gleichmäßigen Galopp, der den
Fußboden erzittern machte. Er wandte sich um.
    Ein Zug näherte sich auf der zu einem Brei aufgelösten Straße im
trübseligen Lichte des kupferroten Himmels; ein aus dem Gehölze
zurückkehrender Zug, der mit dem Glänze seiner Uniformen die in
Regen getauchten Tiefen der Elyseefelder durchstreifte. Voran und
hintennach galoppierten Dragonerabteilungen. In der Mitte rollte
ein geschlossener Landauer, von vier Pferden gezogen, während zu
beiden Seiten des Wagens zwei Stallmeister in großer,
goldgestickter Uniform gleichgültig den von den Rädern auf sie
gespritzten Schmutz hinnahmen, der sie in einer dicken Lage von den
Stulpenstiefeln bis zu ihrem Klapphute bedeckte. In dem Dunkel des
geschlossenen Wagens tauchte ein Kind auf, der kaiserliche Prinz,
der die zehn Finger seiner Händchen und sein rosiges Naschen an die
Scheiben des Wagenfensters pressend hinaussah.
    »Schau, diese Kröte!« sagte lächelnd ein
Wegarbeiter, der einen Karren vor sich hinschob.
    Rougon war nachdenklich stehen geblieben und folgte mit den
Blicken dem Zuge, der sich rasch durch die aufspritzenden Pfützen
entfernte, die mit ihrem Schmutze selbst die tiefer hängenden
Blätter der Bäume beschmutzten.

Kapitel 14
     
    Drei Jahre später fand an einem Märztage im gesetzgebenden
Körper eine sehr stürmische Sitzung statt. Man erörterte daselbst
zum ersten Male die Adresse.
    Am Büfett saßen Herr La Rouquette und Herr von Lamberthon, ein
alter Abgeordneter, der Gatte einer reizenden Frau, einander
gegenüber und tranken ruhig Grog.
    »Wollen wir nicht in den Saal zurückkehren?« fragte Herr von
Lamberthon, die Ohren spitzend. »Ich glaube, es geht drinnen heiß
her.«
    Man hörte von Zeit zu Zeit ein fernes Getöse, einen Sturm von
Stimmen, einem plötzlichen Windstoße gleichend; dann trat wieder
tiefe Stille ein. Herr La Rouquette rauchte mit vollkommener
Sorglosigkeit weiter und antwortete:
    »Nein, lassen Sie; ich will meine Zigarre zu Ende rauchen …
Man verständigt uns schon, wenn man unser bedarf.«
    Sie saßen allein an dem Büfett in einem zierlich eingerichteten
kleinen Saale, der einem Café glich und im Hintergrunde des
schmalen Gartens lag, der die Ecke des Burgunder Ufers und der
gleichnamigen Straße bildet. Zartgrün gestrichen, mit einem
Geflechte von Bambus

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