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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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er sich zu seinem Ohre und flüsterte ihm zu, er sei
von Herrn von Marsy selbst, dem Präsidenten der Kammer, gesandt
worden. Dann fügte er laut hinzu:
    »Kurz: man bedarf jetzt aller; kommen Sie rasch!«
    Herr von Lamberthon eilte in den Sitzungssaal. Herr La Rouquette
schickte sich an, ihm zu folgen, doch besann er sich eines andern.
Er kam auf den Einfall, die draußen sich ergehenden Abgeordneten zu
sammeln und auf ihre Plätze zu schicken. Vor allem eilte er in den
Konferenzsaal; dies war ein schöner Saal mit Oberlicht, wo ein
riesiger Kamin von grünem Marmor stand, geschmückt mit zwei
nackten, liegenden Frauengestalten von Marmor. Obgleich der
Nachmittag warm war, brannten Holzklötze in dem Kamin. An dem
großen Tische schlummerten drei Abgeordnete mit offenen Augen, die
Wandgemälde und die berühmte Uhr, die nur einmal im Jahre
aufgezogen wird, betrachtend; ein vierter wärmte sich vor dem Kamin
die Lenden und schien mit gerührten
Blicken eine Gipsfigur Heinrichs IV. zu bewundern, die sich von
einer Sammlung Fahnen abhob, die man bei Marengo, Austerlitz und
Jena erbeutet hatte. Auf den Ruf ihres Kollegen, der einem nach dem
anderen zuschrie: »Rasch, rasch in die Sitzung, meine Herren!« –
fuhren sie wie aus dem Schlafe auf und verschwanden der Reihe
nach.
    Von seinem Eifer fortgerissen, lief Herr La Rouquette jetzt nach
der Bibliothek; doch in einer Regung der Vorsicht machte er kehrt,
um einen Blick in den Raum zu werfen, wo die Waschbecken
aufgestellt werden. Herr von Combelot stand vor einem großen
Waschbecken, in das er seine Hände tauchte, um sie nachher sanft zu
reiben, wohlgefällig über ihre Weiße lächelnd. Der Ruf erregte ihn
nicht besonders; er kehrte ruhig zu seinem Waschbecken zurück. Dann
nahm er sich die Zeit, sich langsam die Hände zu trocknen mit Hilfe
eines warmen Handtuches, das er in die mit Messingtüren versehene
Wärmeröhre zurücklegte. Dann begab er sich vor einen hohen Spiegel
am Ende des Ganges, zog einen kleinen Kamm aus der Tasche und
kämmte seinen schönen schwarzen Bart.
    Die Bibliothek war leer. Die Bücher schlummerten in ihren
Eichenschränken; die zwei großen Tische waren leer und dehnten sich
unter ihren grünen Decken dahin. An den Lehnen der in genauer
Ordnung aufgestellten Armsessel hingen die aufklappbaren Lesepulte,
mit grauem Staube bedeckt, hernieder. Inmitten der tiefen Stille,
in der Verlassenheit dieser Galerie, die von einem Papiergeruch
erfüllt war, sprach Herr La Rouquete ganz laut, indem er die Türe
zufallen ließ:
    »Da ist niemals einer!«
    Jetzt stürzte er sich in die lange Reihe von Gängen und Sälen.
Er ging in den Saal, wo die Schriftstücke verteilt wurden. Der Saal war mit pyrenäischem Marmor
ausgelegt und die Schritte hallten da wie unter einem
Kirchengewölbe. Ein Türsteher teilte Herrn La Rouquette mit, daß
ein ihm befreundeter Abgeordneter, Herr de la Villardière, einem
Herrn und einer Dame das Haus zeige. Da setzte er sich in den Kopf,
seinen Kollegen zu finden. Er lief in den Saal des Generals Foy, in
diese in strengem Stile gehaltene Vorhalle, deren vier Standbilder:
Mirabeau, General Foy, Bailly und Casimir Périer, Gegenstand der
achtungsvollen Bewunderung aller Provinzbürger sind. Nebenan im
Thronsaale entdeckte er endlich Herrn de la Villardière neben einer
dicken Dame und einem dicken Herrn, Leuten aus Dijon. Der Herr war
daselbst Notar und einer der einflußreichsten Wähler.
    »Man verlangt nach Ihnen«, sagte Herr La Rouquette. »Rasch auf
Ihren Posten!«
    »Ja, sofort!« entgegnete der Abgeordnete.
    Aber er konnte nicht loskommen. Unter dem mächtigen Eindruck,
den der Prunk des Saales, die Vergoldungen, die Spiegelwände auf
ihn übten, hatte der dicke Herr sein Haupt entblößt; und er ließ
seinen »lieben Abgeordneten« nicht los, verlangte Aufklärungen über
die Gemälde von Delacroix, über die Meere und Flüsse Frankreichs,
die hohen, dekorativen Figuren, wie: Mediterraneum Mare, Oceanus,
Ligeris, Rhenus, Sequana, Rhodanus, Garumua, Araris. Diese
lateinischen Namen verwirrten ihn.
    »Ligeris ist die Loire«, sagte Herr de la Villardière.
    Der Notar von Dijon nickte lebhaft; er hatte begriffen.
Inzwischen besichtigte seine Frau den Thron, einen über den übrigen
wenig erhöhten Lehnsessel, der auf einer breiten Treppenstufe stand
und mit einer Hülle bedeckt war. Stumm und andächtig stand die Dame
einige Schritte von dem Thronsessel entfernt. Schließlich faßte sie
Mut und trat langsam näher;

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