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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Staubwolken aufstiegen. Im Garten
schüttelte ein sengender Windhauch die Bäume, deren Zweige schlaff,
tot, ohne eine Regung der Blätter herniederhingen. Rougon ging zu
den großen Kastanienbäumen hinab; dort herrschte fast völliges
Dunkel, eine warme Feuchtigkeit troff hernieder wie von einem
Kellergewölbe. Er betrat die große Allee, als er die Charbonnels
behaglich auf einer Bank sitzen sah; sie waren herrlich
herausgeputzt, völlig umgewandelt; der Gatte in hellem Beinkleid
und knapp sitzendem Leibrocke; die Frau mit einem lilafarbenen
Seidenkleide, einem leichten Mäntelchen
und einem mit roten Blumen geschmückten Hute. Neben ihnen saß
rittlings auf einem Ende der Bank ein, zerlumptes Wesen ohne
Leibwäsche, mit einem alten, jämmerlichen Jagdrocke bekleidet, das
sehr lebhaft gestikulierte und näher zu rücken suchte. Es war
Gilquin, der sich mit heftigen Faustschlägen die Mütze auf dem
Kopfe zurechtrückte.
    »Ein Haufen Lumpe!« schrie er. »Theodor hat niemals jemanden
auch nur um einen Sou schädigen wollen. Sie haben eine
Militärbequartierungsgeschichte erfunden, um mich zu
kompromittieren. Da habe ich sie sitzen lassen, Sie begreifen. Sie
mögen zum Donner Gottes gehen! nicht? Sie fürchten mich. Sie kennen
meine politischen Ansichten. Ich habe niemals zu Badinguets Anhang
gehört … «
    Er neigte sich zu ihnen und fügte leise hinzu, wobei er zärtlich
die Augen rollte:
    »Ich bedaure nur eine Person … Eine reizende Frau, eine
Dame der besten Gesellschaft. Ja, ja, es war ein sehr angenehmes
Verhältnis … Sie war blond; sie hat mir von ihren Haaren
gegeben.«
    Dann hub er wieder mit dröhnender Stimme an ganz nahe bei Frau
Charbonnel und schlug sie auf den Bauch:
    »Mutter, wann wollen Sie mich nach Plassans mitnehmen, wie Sie
versprachen, um Konserven zu essen, Äpfel und Kirschen? Sie haben
jetzt Moos, wie?«
    Doch den Charbonnels schien die Vertraulichkeit Gilquins sehr
lästig zu sein. Die Frau erwiderte unwillig, ihr Kleid an sich
ziehend:
    »Wir bleiben einige Zeit in Paris … Wir wollen jedes Jahr
sechs Monate hier zubringen.«
    »Ach Paris!« sagte der Gatte im Tone tiefer Bewunderung; es geht
nichts über Paris!«
    Da der Wind heftiger zu blasen begann und einige
Kindsfrauen mit ihren Kleinen durch den
Garten liefen, sagte er zu seiner Frau:
    »Meine Liebe, wir werden gut tun heimzukehren, wenn wir nicht
naß werden wollen. Glücklicherweise wohnen wir nicht weit von
hier.«
    Sie waren im Hotel »Königlicher Palast« in der Rivolistraße
abgestiegen. Giiquin sah ihnen nach, wie sie sich entfernten, und
brummte achselzuckend:
    »Auch falsche Freunde! Lauter falsche Freunde!« …
    Plötzlich bemerkte er Rougon. Er erwartete ihn, sich auf den
Beinen wiegend und seine Mütze zurechtrückend.
    »Ich habe dich noch nicht besucht«, sagte er. »Aber du trägst es
mir nicht nach, wie? Dieser Mantel träger Du Poizat muß dir schöne
Berichte über mich gesandt haben. Lauter Lügen, mein Lieber! Ich
werde es dir beweisen, sobald du willst … Kurz: ich grolle dir
nicht. Zum Beweise dessen gebe ich dir meine Adresse: Brunnenstraße
25 im Vororte La Chapelle, fünf Minuten vor der Stadt. Wenn du
meiner wieder bedarfst, brauchst du mir nur einen Wink zukommen zu
lassen.«
    Schleppenden Schrittes ging er von dannen. Einen Augenblick
schien er sich orientieren zu wollen. Dann schwang er drohend die
Faust gegen die Tuilerien, die bleigrau unter dem schwarzen Himmel
am Ende der Allee lagen, und schrie:
    »Hoch die Republik!«
    Rougon verließ den Garten und ging die Elyseefelder hinan. Er
war von dem Verlangen ergriffen, augenblicklich sein kleines Haus
in der Marbeufstraße wiederzusehen. Schon am folgenden Tage
gedachte er aus dem Ministerium auszuziehen, um künftig wieder da
zu leben. Er empfand eine Ermüdung des Kopfes, eine tiefe Ruhe,
hinter der ein dumpfer Schmerz sich barg. Er dachte an unbestimmte
große Dinge, die er eines Tages vollbringen werde, um
seine Stärke zu beweisen. Von Zeit zu Zeit
hob er den Kopf und blickte zum Himmel empor. Das Gewitter wollte
noch immer nicht losbrechen. Rote Wolken schlössen den
Gesichtskreis ab. In der menschenleeren Allee der Elyseefelder
grollte der Donner wie das Getöse einer im Galopp dahinjagenden
Artillerie; die Wipfel der Bäume erzitterten dabei. Die ersten
Regentropfen fielen, als er an der Ecke der Marbeufstraße
einbog.
    Vor dem Tor des Hauses hielt ein Wagen. Rougon fand da seine
Frau, welche die Zimmer besichtigte, die

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