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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Geschichte mit den armen
Nonnen … «
    Herr von Marsy unterdrückte ein Lächeln. Rougon antwortete mit
seiner Gemütlichkeit aus den frohen Tagen:
    »Ach ja, die Haussuchung bei den Nonnen! … Mein Gott, unter
allen Dummheiten, die ich für meine Freunde begangen habe, ist dies
vielleicht die einzige vernünftige und gerechte Sache während der
fünf Monate meiner Macht.«
    Er schickte sich an fortzugehen, als er Du Poizat eintreten sah,
der sich sofort Delestangs bemächtigte. Der Präfekt tat, als
bemerke er ihn nicht. Seit drei Tagen hielt er sich in Paris
verborgen und wartete. Er schien eine Versetzung nach einer anderen
Präfektur erlangt zu haben, denn er verlor sich in Danksagungen mit
seinem Wolfslächeln, das die schlecht sitzenden, weißen Zähne
zeigte. Als der neue Minister sich umwandte, lief ihm der Türsteher
Merle, von Frau Correur geschoben, fast in die Arme. Der Türsteher
schlug die Augen nieder wie ein großes, schüchternes Mädchen,
während Frau Correur ihn warm empfahl.
    »Man liebt ihn im Ministerium nicht,« murmelte sie, »weil sein
Stillschweigen eine beständige Verwahrung gegen die Mißbräuche war.
Er hat unter Herrn Rougon drollige Dinge gesehen!«
    »Ja, ja, sehr drollige Dinge!« bestätigte Merle. »Ich kann
darüber viel erzählen … Man wird Herrn Rougon nicht bedauern.
Ich werde doch nicht dafür bezahlt, ihn zu lieben; ich bin
seinetwegen schier an die Luft gesetzt worden.«
    Im großen Saale, den Rougon durchschritt, waren alle
Verkaufsstände leer. Der Kaiserin zuliebe, die das
Wohltätigkeitswerk unter ihren Schutz
genommen, hatten die Käufer den Markt geplündert. Die
Verkäuferinnen waren entzückt und sprachen davon, am Abend mit
einem neuen Warenvorrat den Markt wieder zu eröffnen. Sie zählten
ihr Geld auf den Tischen. Man hörte unter siegreichem Gelächter
Ziffern rufen; die eine hatte dreitausend Franken zusammengebracht,
die andere viertausendfünfhundert, eine dritte siebentausend, eine
vierte gar zehntausend. Die letztere strahlte. Sie war eine Frau
mit zehntausend Franken!«
    Inzwischen war Frau von Combelot in Verzweiflung. Sie hatte ihre
letzte Rose an den Mann gebracht, und die Käufer belagerten noch
immer ihren Stand. Sie kam herab, um Frau Bouchard zu fragen, ob
sie nichts zu verkaufen habe, gleichviel was. Allein auch das
Glücksrad war leer; eine Dame trug eben den letzten Gewinst fort:
ein kleines Waschbecken für eine Puppe. Sie suchten indes eifrig
und fanden schließlich am Boden ein Paket Zahnstocher. Frau von
Combelot nahm es mit einem Siegesgeschrei an sich. Frau Bouchard
folgte ihr. Beide stiegen zum Stande hinan.
    »Meine Herren!« rief erstere in kühner Stellung, mit einer
Kreisbewegung ihrer nackten Arme die Männer um sich versammelnd.
Hier ist alles, was uns übrig geblieben ist: ein Paket Zahnstocher.
Fünfundzwanzig Zahnstocher … Ich werde sie versteigern.«
    Die Herren drängten sich lachend heran und erhoben ihre
beschuhten Hände. Der Einfall der Frau von Combelot hatte einen
wahnsinnigen Erfolg.
    »Ein Zahnstocher!« rief sie. »Ausrufungspreis fünf Franken!«
    »Zehn Franken!« sagte eine Stimme.
    »Zwölf Franken!«
    »Fünfzehn Franken!«
    Doch als Herr d'Escorailles mit einem Sprunge
fünfundzwanzig Franken bot, beeilte sich
Frau Bouchard mit ihrer Flötenstimme zu sagen:
    »Zugeschlagen mit fünfundzwanzig Franken!«
    Die anderen Zahnstocher gingen noch höher. Herr La Rouquette
bezahlte den seinigen mit dreiundvierzig Franken; der Ritter
Rusconi, der eben ankam, ging bis zu zweiundsiebzig Franken; der
letzte, ein sehr dünner Zahnstocher, den Frau von Combelot als
gespalten ankündigte, weil sie das Publikum nicht täuschen wolle,
wie sie sagte, wurde für hundertsiebzehn Franken einem alten Herrn
zugeschlagen, der sehr belustigt war von der Munterkeit der jungen
Frau, deren Leibchen bei jeder heftigen Bewegung der Versteigerung
sich halb öffnete.
    »Er ist gespalten, meine Herren, aber doch noch zu
gebrauchen … Wir sagen hundertacht! … hundertzehn! …
hundertelf! … hundertzwölf! … hundertdreizehn! …
hundertvierzehn! … Gibt niemand mehr?… Hundertsiebzehn! …
Niemand mehr? Zugeschlagen mit hundertsiebzehn.«
    Von diesen Ziffern verfolgt, verließ Rougon den Saal. Auf der
nach dem Fluß gehenden Terrasse verlangsamte er seine Schritte. Am
Horizonte stieg ein Gewitter herauf. Die Seine wälzte schwer ihre
öligen, schmutziggrünen Fluten zwischen den fahlen Uferdämmen
dahin, auf denen dichte

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