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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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bedeckt, in breiten Bogenfenstern sich auf die
Dickichte des Gartens öffnend, glich der Raum einem Treibhause, das
anläßlich eines Festes in ein Büfett verwandelt worden, mit seinen
Spiegelwänden, seinen Tischen, seinem Pulte von rotem Marmor,
seinen mit grünem Rips gepolsterten Sitzbänken. Eines der Bogenfenster war offen und gestattete dem
schönen Nachmittagswetter freien Eintritt, einer Frühlingswärme,
welche die von der Seine kommende lebhafte Brise erfrischte.
    »Der italienische Krieg hat seinem Ruhme die Krone aufgesetzt«,
sagte Herr La Rouquette, ein unterbrochenes Gespräch fortsetzend.
»Indem er heute dem Lande seine Freiheit wiedergibt, zeigt er die
Vollkraft seines Genies.«
    Er sprach vom Kaiser. Seit einer Weile redete er in
überschwänglichen Ausdrücken von den Novemberbeschlüssen, von der
unmittelbaren Teilnahme der großen Staatskörperschaften an der
Politik des Herrschers, von der Ernennung der Minister ohne
Portefeuille, die berufen waren, die Regierung in den Kammern zu
vertreten. Es war die Rückkehr der verfassungsmäßigen Regierung in
allen gesunden und heilsamen Fragen. Eine neue Zeit begann: die
liberale Regierung. Von Bewunderung hingerissen, klopfte er die
Asche von seiner Zigarre.
    Herr von Lamberthon schüttelte den Kopf.
    »Es ist ein wenig zu rasch vorwärtsgegangen«, sagte er leise.
»Man hätte noch warten können, es drängte nicht.«
    »Doch, doch, es mußte etwas geschehen«, sagte der junge
Abgeordnete. »Darin liegt eben das Genie.«
    Er dämpfte die Stimme und erklärte die politische Lage mit
tiefen, bedeutungsvollen Blicken. Die Hirtenbriefe der Bischöfe
über die Frage der weltlichen Macht des Papstes, die von der
Turiner Regierung bedroht wurde, beunruhigten den Kaiser sehr.
Anderseits regte sich die Gegnerschaft; das Land war in einer
Krise. Es war der Augenblick gekommen, die Parteien zu versöhnen,
die schmollenden Politiker an sich zu ziehen, indem man ihnen kluge
Zugeständnisse machte. Er fand jetzt das absolute Kaiserreich sehr
mangelhaft und gestaltete das liberale Kaiserreich zu einer glänzenden Erscheinung, von der ganz Europa
erleuchtet werden sollte.
    »Gleichviel, er hat zu rasch gehandelt«, wiederholte Herr von
Lamberthon, noch immer das Haupt schüttelnd. »Ich höre wohl: das
liberale Kaiserreich; aber das ist das Unbekannte, lieber Herr; das
Unbekannte, das Unbekannte.
    Er sagte dieses Wort in drei verschiedenen Tonarten und
fuchtelte dabei mit der Hand durch die Luft. Herr La Rouquette
fügte nichts hinzu, er trank seinen Grog aus. Die beiden
Abgeordneten saßen einen Augenblick da, die Blicke in der Ferne
verloren, durch das offene Bogenfenster zum Himmel emporschauend,
als suchten sie das Unbekannte jenseits des Ufers, in der Richtung
der Tuilerien, wo große Massen grauer Dämpfe schwebten. Hinter
ihnen in der Tiefe der Wandelgänge erbrauste von neuem der Sturm
der Stimmen mit dem dumpfen Getöse eines herannahenden
Gewitters.
    Herr von Lamberthon wandte den Kopf, von Unruhe ergriffen. Nach
einer Weile fragte er:
    »Wird Rougon antworten?«
    »Ja, ich glaube«, antwortete Herr La Rouquette mit gespitzten
Lippen und verschwiegener Miene.
    »Rougon war sehr kompromittiert«, brummte der alte Abgeordnete,
»und der Kaiser hat eine seltsame Wahl getroffen, indem er ihn zum
Minister ohne Portefeuille ernannte und damit betraute, seine neue
Politik in der Kammer zu vertreten.«
    Herr La Rouquette sagte nicht sogleich seine Ansicht. Mit einer
langsamen Bewegung der Hand zwirbelte er seinen blonden
Schnurrbart. Endlich sagte er:
    »Der Kaiser kennt Rougon.«
    Dann rief er mit veränderter Stimme:
    »Diese Grogs waren nicht sonderlich gut … Ich habe einen Teufelsdurst; ich möchte ein Glas Sirup
trinken.«
    Er bestellte ein Glas Sirup. Herr von Lamberthon zögerte und
entschloß sich endlich zu einem Madeira. Dann sprachen sie von Frau
von Lamberthon; der Gatte warf dem jungen Kollegen die Seltenheit
seiner Besuche vor. Dieser hatte sich auf dem gepolsterten
Sitzbänkchen zurückgelehnt und betrachtete sich von der Seite in
einem der Spiegel, ergötzte sich an dem Zartgrün der Wände dieses
hellen Raumes, der einer Laube im Stile Pompadour glich, die in
einer Lichtung eines fürstlichen Waldes errichtet und für
Liebesrendezvous bestimmt war.
    Jetzt kam ein Saalhüter atemlos herbeigeeilt.
    »Herr La Rouquette, man verlangt nach Ihnen sofort!« meldete
er.
    Und als der junge Abgeordnete eine verdrießliche Handbewegung
machte, neigte

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