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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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seinem Sessel, nahm sein rosiges,
gemächliches Aussehen wieder an und suchte nach schlüpfrigen
Scherzen. Aber Clorinde fragte ihn nach seinen Eroberungen. Sie
hatte ihn abends zuvor im Varietétheater mit einer kleinen sehr
häßlichen Blonden gesehen, die zerzaust aussah wie ein Pudel.
Anfangs leugnete er, dann verteidigte er, verdrossen über ihre
unfeine Bemerkung über den »kleinen Pudel«, jene Frau als sehr
ehrenwert und sprach von ihrem Haar, ihrem Wuchs, ihrem Bein.
Clorinde wurde schrecklich, so daß er endlich ausrief:
    »Sie erwartet mich, ich gehe hin!«
    Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, als das junge
Mädchen in die Hände klatschend ausrief:
    »Den sind wir los! Glückliche Reise!«
    Damit sprang sie lebhaft vom Tische, lief auf Rougon zu und
reichte ihm beide Hände. Sie war äußerst liebenswürdig zu ihm und
schien sehr verdrossen darüber, daß er sie nicht allein getroffen.
Wie viele Mühe hatte sie gehabt, sich alle diese Leute vom Halse zu
schaffen! Sie hatten wahrhaftig ein sehr dickes Fell! Dieser La
Rouquette mit seinem Zucker war so lächerlich! Aber jetzt würde man
sie vielleicht nicht mehr stören, und sie könnten gemächlich
miteinander plaudern. Sie hatte ihm so viel mitzuteilen!
    Während sie so schwatzte, geleitete sie ihn zu einem Sofa. Er hatte sich gesetzt, ohne ihre Hände
loszulassen, als Luigi wieder klopfte und erzürnt rief:
    »Clorinda! Clorinda!«
    »Ach ja, das Bild!« sagte sie lachend. Sie entschlüpfte Rougon
und ging zum Maler, an den sie sich mit liebkosender
Geschmeidigkeit lehnte. Oh, wie hübsch war es, was er gemalt hatte!
Es würde ihm sehr gut gelingen. Aber sie fühlte sich in der Tat
ermüdet und bat um eine Viertelstunde Erholung. Inzwischen könne er
das Kostüm malen, wozu sie nicht stehen müsse. Luigi schleuderte
aus seinen Augen Blitze nach Rougon und fuhr fort, verdrossene
Worte vor sich hinzubrummen. Da begann sie, sehr schnell
italienisch mit ihm zu sprechen mit gerunzelten Brauen und dennoch
lächelnd, worauf er schwieg und mit dünnen Strichen
weitermalte.
    »Ich habe nicht gelogen, mein linkes Bein ist ganz steif«,
wandte sie sich an Rougon und setzte sich neben ihn.
    Sie klopfte auf das linke Bein, um den Blutumlauf zu befördern,
wie sie sagte. Durch die Gaze sah man die rosigen Knie; sie hatte
vergessen, daß sie nackt war. Sie lehnte sich nachdenklich an ihn
und rieb sich an dem groben Zeuge seines Überziehers die zarte Haut
der Schulter rot. Doch der Druck eines Knopf es an ihre Brust ließ
sie plötzlich erschauern. Sie sah hin, wurde sehr rot und nahm
eilends einen schwarzen Spitzenschleier, in den sie sich
einhüllte.
    »Ich friere ein wenig«, sagte sie zu Rougon, indem sie einen
Stuhl vor ihn rollte und sich darin niederließ.
    Sie ließ unter den Spitzen nur noch ihre Handknöchel sehen; den
Schleier hatte sie nach Art einer riesigen Krawatte so um den Hals
geschlungen, daß sie das Kinn darin vergraben konnte. Von diesem
Schwarz, das sie ganz umhüllte, hob sich ihr jetzt wieder blasses
und ernstes Gesicht seltsam ab.
    »Was ist Ihnen widerfahren?« fragte sie.
»Erzählen Sie mir alles!«
    Sie fragte ihn mit einer Art töchterlicher Neugier über seine
Entlassung aus. Sie ließ sich die Umstände, die sie als Fremde
nicht zu verstehen vorgab, dreimal wiederholen. Sie unterbrach ihn
durch italienische Ausrufe, während er in ihren schwarzen Augen
deutlich die Bewegung lesen konnte, die sein Bericht in ihr
hervorrief. Warum hatte er sich mit dem Kaiser überworfen? Wie
hatte er eine so hohe Stellung aufgeben können? Welche Feinde hatte
er denn, daß er sich so aus dem Felde schlagen ließ? Wenn er
zögerte, wenn sie ihn zu einem Geständnis drängte, das er nicht
machen wollte, sah sie ihn mit einer so liebevollen Unschuld an,
daß er sich gehen ließ und ihr alles haarklein erzählte. Bald wußte
sie ohne Zweifel alles, was sie hatte erfahren wollen, und richtete
dann noch einige seltsame Fragen an ihn, die ihn überraschten, weil
sie mit der Sache in gar keinem Zusammenhange standen. Endlich
schwieg sie und schien mit gefalteten Händen und geschlossenen
Augen tief nachzudenken.
    »Nun?« fragte er lächelnd.
    »Nichts!« murmelte sie, »es hat mich angegriffen… «
    Er war gerührt, suchte ihre Hände wieder zu fassen; aber sie
verbarg sie unter den Spitzen, und das Schweigen dauerte fort.
    Nach zwei langen Minuten öffnete sie endlich wieder die Augen
und fragte:
    »Wissen Sie schon, was Sie jetzt anfangen

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