Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
von Sonnenglanz
übergossen. Sie schien kleiner geworden, ihre Gliedmaßen dicker,
ganz von einem Schauer des Verlangens vergoldet, dessen warmen
Glanz er über ihre Samthaut gleiten zu sehen glaubte. Sie saß
zusammengekauert, bot sich ihm dar, machte sich begehrenswert in
der Haltung einer demütigen Geliebten, die in einer einzigen
Umarmung sich völlig hinzugeben bereit ist.
    Die Herren Brambilla, Staderino und Viscardi klatschten gemessen
Beifall, ohne ihre finstere Haltung von Verschworenen
aufzugeben:
    »Bravo! Bravo! Bravo!«
    Herr La Rouquette brach in Begeisterung aus, während der Ritter
Rusconi, der herangetreten war, ihr die Zigarette zu bringen, ganz
in ihren Anblick versunken dastand, den Kopf leicht wiegend, als ob
er zu seiner Bewunderung den Takt schlage.
    Rougon sagte nichts. Er drückte nur die Hände so fest zusammen,
daß die Finger knackten. Ein leichter Schauer rieselte ihm vom
Hinterkopf bis zur Sohle herab. Jetzt dachte er nicht mehr ans
Fortgehen, sondern ließ sich häuslich nieder. Aber sie hatte sich
schon wieder aufgerafft, lachte laut, rauchte und stieß die blauen
Wölkchen mit einem kavaliermäßigen Lippenkräuseln aus. Sie
erzählte, daß sie für ihr Leben gern Schauspielerin geworden wäre;
sie habe alles darstellen können: Zorn, Zärtlichkeit,
Schamhaftigkeit, Schrecken. Mit einer Stellung, mit einem
Mienenspiel vermöge sie Persönlichkeiten nachzuahmen. Dann fragte
sie plötzlich:
    »Herr Rougon, soll ich Ihnen nachahmen, wie Sie in der Kammer
reden?«
    Sie blies die Backen auf, räusperte sich, pustete und streckte
die Fäuste vor mit so drolligen und naturgetreuen Gebärden, daß
alle vor Lachen bersten wollten. Rougon lachte, daß ihm die Tränen in die Augen traten; er
fand sie anbetungswürdig, sehr geistreich und sehr gefährlich.
    »Clorinda, Clorinda!« flüsterte Luigi, auf seiner Staffelei
trommelnd.
    Sie war so unruhig, daß er nicht weiterarbeiten konnte. Er hatte
den Malstab beiseite gesetzt, um mit dem Ernste eines fleißigen
Schülers zarte Farben auf die Leinwand aufzutragen. Während die
anderen lachten, blieb er ernst, erhob seine Flammenaugen zu dem
Mädchen und schleuderte schreckliche Blicke auf die Männer, mit
denen sie scherzte. Sein war der Gedanke, sie als jagende Diana zu
malen in dem Kostüm, von dem ganz Paris seit dem letzten
Gesandtschaftsballe sprach. Er nannte sich ihren Vetter, weil beide
in derselben Straße zu Florenz geboren waren.
    »Clorinda!« wiederholte er endlich zornig.
    »Luigi hat recht«, sagte sie. »Sie sind nicht vernünftig, meine
Herren. Sie machen einen Lärm!… Fleißig, fleißig sein!«
    Und sie nahm ihre Stellung als Göttin wieder auf, wurde zu
schönem Marmor. Die Herren blieben unbeweglich, wie angenagelt an
ihren Plätzen. Nur Herr La Rouquette wagte auf der Lehne seines
Stuhles einen leisen Wirbel zu trommeln. Rougon hatte sich
umgewandt und sah Clorinde an, nachdenklich, wie in einem Traume
befangen, in dem das junge Mädchen über die Maßen emporwuchs. Das
Weib war doch ein wunderliches Ding. Niemals hatte er daran
gedacht, es zu studieren. Er begann außerordentliche Verwickelungen
zu ahnen. Einen Augenblick hatte er ein ganz bestimmtes Empfinden
von der Macht dieser nackten Schultern, die imstande sein würden,
eine Welt zu erschüttern. Clorinde wuchs vor seinen getrübten
Bücken immer mehr an, so daß sie mit ihrem Leibe einer Riesenstatue
ihm den Blick auf das Fenster ganz versperrte. Aber er
zwinkerte mit den Augen und sah sie viel
kleiner als er selbst auf dem Tische wieder. Da lächelte er; er
hätte, wenn er es wollte, sie prügeln können wie ein Kind und war
jetzt verwundert, daß er sie einen Augenblick habe fürchten
können.
    Inzwischen wurden am andern Ende des Gemaches leise Stimmen
vernehmlich. Rougon horchte gewohnheitsmäßig auf, aber er verstand
nichts von dem hastigen Geflüster der Italiener. Rusconi, der sich
hinter den Möbeln herumgeschlichen, stützte sich mit einer Hand auf
die Lehne des Sessels der Gräfin und schien, achtungsvoll über sie
gebeugt, ihr irgend etwas eingehend zu berichten. Sie begnügte
sich, beistimmend zu nicken; einmal jedoch schüttelte sie
nachdrücklich den Kopf, worauf der Ritter sich noch weiter
vorbeugte und sie mit seiner singenden, zwitschernden Stimme
beruhigte. Endlich fing Rougon, dank seiner Kenntnis des
Provenzalischen, einige Worte auf, die ihn nachdenklich
machten.
    »Mama!« rief da Clorinde, »hast du dem Cavaliere die Depesche
gezeigt, die

Weitere Kostenlose Bücher