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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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seufzte Frau Correur.
    Du Poizat zuckte die Achseln; er war bei abscheulicher Laune.
Die vielen Leute machten ihn »dumm«, und die lange Dauer der Feierlichkeit schien ihn zu
erbittern. Würden sie noch nicht bald zu Ende sein? Sie hatten
schon gesungen »Komm heil'ger Geist«, sie hatten geräuchert, den
Umzug gehalten und sich begrüßt. Das Kind mußte jetzt schon getauft
sein. Herr Bouchard und der Oberst betrachteten geduldig die mit
Menschen dicht besetzten Fenster des Platzes; dann wandten sie sich
um, halb erschrocken durch ein plötzliches Geläute, das die Türme
erschütterte, und sie empfanden einen leichten Schauer der
Beunruhigung unmittelbar neben dem ungeheuren Bau der Kirche, der
sich im Himmel zu verlieren schien.
    Inzwischen hatte sich August zur Vorhalle geschlichen, und Frau
Correur folgte ihm. Als sie aber vor der Haupttür ankam, blieb sie
beim Anblick dieser ungewohnten Herrlichkeit wie angewurzelt
stehen.
    Zwischen den beiden breiten Vorhängen hindurch sah sie die
riesige Kirche wie ein überirdisches Heiligtum sich wölben. Das
zarte Blau der Gewölbe war mit Sternen besät, und die Fenster, die
dieses Firmament umgaben, boten den Anblick seltsamer Gestirne, die
im Glänze aller Edelsteine loderten. Überall wogte von den hohen
Säulen roter Samt in Falten herab, der das wenige Licht aufsog, das
in das Schiff eindringen konnte; und diese rote Nacht war nur von
einem Flecke aus durch Tausende von Kerzen erhellt, die so dicht
beisammen standen, daß sie gleichsam eine einzige Sonne bildeten,
die in einem Funkenregen flammte. In der Mitte des Querschiffes
stand auf einer Erhöhung der Altar, in einem Meer von Lichte
flammend. Rechts und links erhoben sich Throne; und ein breiter
Thronhimmel aus Samt, mit Hermelin ausgeschlagen, bildete über dem
höchsten Throne einen riesigen Vogel mit schneeigem Leibe und
purpurnen Fittichen; dazu die Versammlung, die mit dem Glänze des
Goldes und der Edelsteine die ganze Kirche erfüllte. Nächst dem Altar im Hintergrunde die
Bischöfe mit Kreuz und Mitra, eine Herrlichkeit, daß man den Himmel
offen zu sehen glaubte; rings um den Altar reihten sich Prinzen,
Prinzessinnen und hohe Würdenträger in fürstlichem Prunke; dann zu
beiden Seiten in den beiden Seiten des Querschiffes, wo Stufen
hinaufführten, rechts der diplomatische Körper und der Senat, links
der gesetzgebende Körper und der Staatsrat, im übrigen Teile des
Schiffes endlich drängten sich die Abordnungen aller Art, und oben
am Rande der Tribünen entfalteten die Damen das bunte Farbenspiel
ihrer lichten Gewänder. Ein dichter, roter Dunst durchwogte den
ganzen Raum. Die Köpfe der im Hintergrunde und zu beiden Seiten auf
Stufenbänken sitzenden Festgäste zeigten die rosigen Farben
bemalten Porzellans. Atlas, Samt und Seide glänzten in einem
düstern Schimmer, als wollten sie Feuer fangen. Ganze Reihen
schienen auf einmal aufzulodern. Die weite Kirche glühte in dem
Feuerschein eines Hochofens.
    Da sah Frau Correur, wie in der Mitte des Chors ein Herold
vortrat, der dreimal mit weithallender Stimme ausrief:
    »Es lebe der kaiserliche Prinz! Es lebe der kaiserliche Prinz!
Es lebe der kaiserliche Prinz!«
    In dem Beifallsjubel, von dem die Gewölbe erzitterten, sah Frau
Correur am Rande der Erhöhung den Kaiser stehen. Seine Gestalt hob
sich schwarz von dem Goldgefunkel der Bischöfe hinter ihm ab; er
zeigte dem Volke den kaiserlichen Prinzen, ein Bündel weißer
Spitzen, das er in seinen hocherhobenen Händen hielt.
    Plötzlich jedoch wies ein Schweizer Frau Correur mit einer
Gebärde zurück. Sie wich zwei Schritte zur Seite und sah nichts
mehr als dicht vor sich den einen Vorhang der Halle. Das
Traumgesicht war verschwunden, sie fand sich im vollen Tageslichte und glaubte, noch ganz wirr im
Kopfe, ein altes Gemälde gesehen zu haben ähnlich denen des Louvre,
vom Alter eingetrocknet, voll Purpur und Gold, das Menschen aus
alter Zeit darstellte, wie man solchen jetzt auf den Straßen nicht
mehr begegnet.
    »Bleiben Sie dort nicht stehen!« sagte ihr Du Poizat und zog sie
zum Obersten und zu Herrn Bouchard.
    Die Herren sprachen jetzt von den Überschwemmungen, die in den
Tälern der Rhone und Loire schreckliche Verwüstungen angerichtet
hatten. Tausende von Familien waren ohne Obdach. Die allerorten
eröffneten Sammlungen reichten nicht aus, soviel Not zu lindern.
Aber des Kaisers Mut und Freigebigkeit waren bewunderungswürdig; in
Lyon hatte er die niedrig gelegenen Stadtteile, die

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