Seine Exzellenz Eugène Rougon
darauf, sondern schleppte sie
mit sich fort. Als sie wieder vor dem Kaffeehause waren, stieß er
sie vorwärts und setzte sie an dem Tische nieder, den sie eben
verlassen hatten.
»Ihr seid aber sonderbare Leute!« rief er. »Glaubt ihr, ich habe
Lust, mir von diesem Haufen Maulaffen die Füße abtreten zu
lassen? … Wir wollen eins trinken, alle Wetter! Wir sitzen
hier wahrhaftig besser als mitten in dem Gedränge. Was? haben wir
nicht genug gehabt vom Feste? Das wird ja schließlich
albern! … Was nehmen Sie, Mama?«
Die Charbonnels, die er mit beängstigenden Blicken betrachtete,
erhoben schüchterne Einwände. Sie hätten gern auch den Auszug aus
der Kirche gesehen. Darauf erklärte er ihnen, daß man die
Neugierigen sich verlaufen lassen müsse; in einer Viertelstunde
werde er sie hinführen, wenn das Gedränge nicht noch zu arg sei.
Frau Correur jedoch räumte vorsichtig das Feld, während er bei
Julius Zigarren und Bier bestellte.
»Ja, ruhen Sie aus, Sie finden mich dort unten«, sagte sie zu
den Charbonnels.
Damit wandte sie sich der Liebfrauenbrücke zu und ging die
Altstadtstraße hinauf. Aber das Gedränge war hier so arg, daß sie
eine gute Viertelstunde brauchte, um bis zur Konstantinstraße zu gelangen. Sie mußte durch die
Einhornstraße und die Dreientenstraße gehen. Endlich erreichte sie
den Pfarrplatz, nachdem sie am Kellerloche eines verdächtigen
Hauses ein großes Stück ihres taubengrauen Seidenkleides
zurückgelassen hatte. Auf dem mit Sand und Blumen bestreuten Platze
waren Maste mit dem kaiserlichen Wappen errichtet, und vor der
Kirche verkleidete ein riesiges Portal in Form eines Zeltes mit
seinen roten Samtvorhängen und Goldtroddeln die nackte
Steinmauer.
Dort wurde Frau Correur durch eine Kette von Soldaten
aufgehalten, die das Volk zurückdrängte. Inmitten des
freigebliebenen weiten Platzes gingen Diener gemächlich die Wagen
entlang, die in fünf Reihen standen, während die Kutscher mit den
Zügeln in den Händen feierlich auf ihren Sitzen thronten. Indem sie
den Hals reckte, um eine Lücke zum Durchdringen zu erspähen,
gewahrte sie Du Poizat, der in einer Ecke zwischen den Dienern
ruhig seine Zigarre rauchte. Sie winkte ihm mit dem Taschentuche,
und als er, aufmerksam geworden, herankam, fragte sie:
»Können Sie mich nicht einlassen?«
Er redete mit einem Offizier, führte sie vor die Kirche und
sagte:
»Glauben Sie mir, Sie tun besser hier bei mir zu bleiben. Da
drinnen ist es zum Erdrücken voll; ich bin herausgekommen, weil ich
fast erstickte… Sehen Sie, da sind auch der Oberst und Herr
Bouchard, die es aufgegeben haben, ihre Plätze zu finden.«
Die beiden standen wirklich da links nach dem Liebfrauenkloster
zu. Herr Bouchard erzählte, daß er seine Frau Herrn d'Escorailles
anvertraut habe, der einen ausgezeichneten Sessel für eine Dame
hatte. Der Oberst dagegen bedauerte, die Feierlichkeit seinem Sohne
August nicht erklären zu können, und bemerkte:
»Ich hätte ihm gerne das berühmte Taufbecken
gezeigt. Es stammt, wie Sie wissen, vom heiligen Ludwig her und ist
in geädertem Kupfer geätzt im schönsten persischen Stile, ein
Kleinod aus der Zeit der Kreuzzüge, das bei der Taufe aller unserer
Könige gedient hat.«
»Haben Sie den Aufzug gesehen?« fragte Herr Bouchard Du
Poizat.
»Gewiß«, versetzte dieser. »Frau von Llorentz trug das
Taufmützchen.«
Er mußte das Nähere berichten, da die beiden anderen nichts
davon wußten. Er schilderte also den Aufzug der Taufgeräte: das
Mützchen, die Kerze, das Salzfaß; die Geräte der beiden Paten: das
Becken, die Wasserkanne, das Tuch; alle die Sachen wurden von
Palastdamen getragen. Ferner der Mantel des kleinen Prinzen, ein
wundervoller Mantel, der auf einem Sessel neben dem Taufsteine
lag.
»Ist denn da drinnen wirklich kein Plätzchen mehr zu finden?«
rief Frau Correur, die beim Anhören dieser Einzelheiten vor Neugier
brannte.
Darauf zählte man ihr alle die hohen Körperschaften und
Behörden, alle die Abordnungen auf, die vorbeigezogen waren; es war
endlos: das diplomatische Korps, der Senat, der gesetzgebende
Körper, der Staatsrat, der Kassationshof, der Rechnungshof, der
kaiserliche Hof, die obersten Handelsgerichte, außerdem die
Minister, Präfekten, Bürgermeister und ihr Anhang, die Akademiker,
die höheren Offiziere und Beamten bis zu den Abgesandten des
jüdischen und des protestantischen Konsistoriums. Es waren noch
mehr, immer noch mehr.
»Mein Gott, wie schön muß das sein!«
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