Seine Exzellenz Eugène Rougon
des
kaiserlichen Prinzen auf den Knien der Erzieherin der Kinder
Frankreichs; neben dieser saß die Amme, eine schöne, starkbrüstige
Burgunderin. In einiger Entfernung davon hinter einer Schar von
Schirrmeistern zu Fuß und Stallknechten zu Pferde folgte der Wagen
des Kaisers, ebenfalls achtspännig und ebenso prächtig, aus dem das
Kaiserpaar grüßte. Neben den beiden Wagen schritten Marschälle in
reichgestickten Uniformen und schluckten
den Staub der Räder, ohne eine Miene zu verziehen.
»Wenn jetzt die Brücke einstürzte«, bemerkte lächelnd Gilquin,
der eine Vorliebe für gräßliche Vorstellungen hatte.
Frau Correur hieß ihn erschrocken schweigen. Er aber beharrte
dabei, diesen eisernen Brücken sei nie recht zu trauen. Als die
beiden Wagen in der Mitte angelangt waren, behauptete er die Brücke
schwanken zu sehen. Was für einen Plumps würde es geben! Papa, Mama
und das Kind, sie würden alle einen tüchtigen Schluck nehmen. Die
Wagen rollten langsam und geräuschlos vorwärts, die sanftgewölbte
Brückenbahn war so dünn, daß die Wagen in der Luft, über der weiten
Stromfläche zu hängen schienen; und unten im blauen Wasser
spiegelten sie sich wider wie seltsame goldene Fische. Das
kaiserliche Paar hatte sich ermüdet in die seidenen Kissen
zurückgelehnt, glücklich, eine Weile des Grüßens enthoben zu sein.
Auch die Erzieherin »der Kinder Frankreichs« machte sich die Leere
der Brücke zunutze und nahm den kleinen Prinzen wieder auf, der von
ihrem Schoße herabgeglitten war, während seine Amme, sich über ihn
beugend, ihn durch Zulächeln unterhielt. Der ganze Zug war im
Sonnenschein gebadet: die Uniformen, Toiletten, Geschirre glänzten,
die Wagen schimmerten wie Gestirne und sandten ihren Widerschein
auf die schwarzen Häuser am Napoleonufer. In der Ferne bildete
oberhalb der Brücke der ungeheure graue Reklameüberrock, auf die
sechsstöckige Wand eines Hauses der St.-Ludwig-Insel gemalt und
ebenfalls vom Sonnenlichte verklärt, einen Hintergrund für das
ganze Bild.
Gilquin bemerkte ihn, als er gerade die beiden Wagen überragte
und rief:
»Seht doch! den Oheim da unten!«
Die Menge lachte. Herr Charbonnel, der den
Witz nicht verstanden hatte, bat um Aufklärung. Aber man hörte sein
eigen Wort nicht mehr; ein betäubendes Lebehoch erscholl, und die
dreihunderttausend Menschen, die sich dort zusammendrängten,
klatschten in die Hände. Als der kleine Prinz in der Mitte der
Brücke angekommen war, hinter ihm seine Eltern, gleichsam in freier
Luft, wo nichts den Blick hemmte, bemächtigte sich der Neugierigen
eine tiefe Bewegung. Es war einer jener Ausbrüche der
Volksbegeisterung, die von einem Ende der Stadt bis zum andern die
Köpfe beugen. Die Männer reckten die Hälse, setzten sich ihre
verblüfften Kinder in den Nacken; die Frauen weinten und stammelten
zärtliche Worte für »den lieben Kleinen«, in rührenden Ausdrücken
die Elternfreude des Kaiserpaares teilend. Ein wahres Gewitter von
Rufen ging beständig vom. Rathausplatze aus; an den Ufern rechts
und links, stromab und stromauf, soweit das Auge reichte, sah man
einen Wald von Armen winken und grüßen. Aus den Fenstern, wehten
Tücher, die Leiber beugten sich vor, und in den glühenden
Gesichtern bildete der weitgeöffnete Mund ein schwarzes Loch. Unten
auf der fernen St.-Ludwig-Insel belebten sich die fadendünn
scheinenden Fenster von einem Gewimmel heller Punkte, worin man
nichts deutlich unterscheiden konnte. Dabei schrie die rotblusige
Bootsmannschaft inmitten des Stromes aus vollem Halse, während die
Wäscherinnen, den halben Leib aus den Fenstern des Schiffes
streckend, mit nackten Armen und nacktem Halse, wie wahnsinnig mit
ihren Schlägeln hämmerten, um sich bemerkbar zu machen.
»Es ist aus, wir wollen gehen«, sagte Gilquin.
Aber die Charbonnels wollten alles sehen. Das Ende des Zuges,
Schwadronen der Hundertgarden, Kürassiere und Karabinier,
verschwand in der Arcolestraße. Darauf brach ein fürchterlicher Lärm aus; die Ketten der
Nationalgarden und der Liniensoldaten wurden an verschiedenen
Stellen durchbrochen, Frauen kreischten auf.
»Kommt!« wiederholte Gilquin. »Man wird da zu Tode getreten
werden.«
Nachdem er die Frauen wieder auf das Pflaster gesetzt, führte er
sie trotz des Gedränges über den Fahrweg zurück. Frau Correur und
die Charbonnels wollten die Brüstung entlang weitergehen, um die
Liebfrauenbrücke zu erreichen und zu sehen, was es auf dem
Pfarrplatze gebe. Aber er hörte nicht
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