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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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strotzende
Schwein?«
    In diesem Augenblicke erhob sich jedoch vom Rathausplatze her
ein solcher Lärm, daß die Gäste nicht daran dachten zu antworten.
Die Menge stürzte von neuem vorwärts; man sah nichts als wirbelnde
Beine, die Frauen bis zu den Knien aufgeschürzt, um besser laufen
zu können, wobei man ihre weißen Strümpfe sah. Als der Lärm näher
kam und sich zu einem immer deutlicheren Kreischen entwickelte,
rief Gilquin:
    »Hopp! Das ist der Knirps! … Bezahlt eiligst, Papa
Charbonnel, und folgt mir alle!«
    Frau Correur hatte einen Zipfel seines gelben Zwillichrockes
erfaßt, um ihn nicht zu verlieren. Frau Charbonnel folgte ganz
außer Atem; ihr Gatte verlor sich fast im Gewühl. Gilquin hatte
sich in das dichteste Gewühl gestürzt und brach sich mit den
Ellbogen so rücksichtslos Bahn, daß die dichtesten Reihen ihm Platz
machten. An der Brustwehr des Ufers angelangt, brachte er die
Seinen dort unter und setzte die Frauen mit einem Schwünge auf die
Brüstung, so daß ihre Beine nach dem Flusse zu hinabhingen –
unbekümmert um die leisen Schreie, die sie ausstießen. Er und
Charbonnel blieben hinter ihnen stehen.
    »So, meine Kätzchen, ihr sitzet hier im ersten Rang«, sagte er,
um sie zu beruhigen. »Habt keine Bange, wir umfassen euch und
halten euch fest!«
    Er schlängelte seine Arme um die stattliche Rundung der Frau Correur, die ihm zulächelte. Man konnte
diesem Schwerenöter nicht zürnen. Indessen sah man nichts. Vom
Rathausplatze her erbrausten die Hochrufe immer gewaltiger; die
Köpfe bewegten sich, darüber wurden Hüte von Händen geschwenkt, die
man nicht unterscheiden konnte wie eine ungeheure schwarze Woge,
die langsam vorrückte. Dann wurde es in den Häusern am
Napoleonufer, dem Platze gegenüber lebendig; an den Fenstern
erhoben sich die Leute erregt, reckten die Hälse mit entzückten
Gesichtern und ausgebreiteten Armen nach links und wiesen nach der
Rivolistraße. Noch drei ewig lange Minuten blieb die Brücke leer.
Die Glocken der Liebfrauenkirche läuteten noch stärker, als seien
sie von einem neuen Anfall toller Freude ergriffen.
    Endlich erschienen inmitten der harrenden Menge Trompeter auf
der leeren Brücke, und ein unendlicher Seufzer der Erleichterung
durchlief die Menge. Hinter der Musikbande kam ein General mit
seinem Stabe zu Pferde. Dann einige Schwadronen Karabinier,
Dragoner und Garden; endlich begann der Zug der Galawagen, zunächst
acht sechsspännige mit den Palastdamen, den Kammerherren, den
Beamten des Hofstaates des Kaisers und der Kaiserin, den Ehrendamen
der Großherzogin von Baden, welche die Patin vertrat. Gilquin
erklärte Frau Correur, ohne sie loszulassen, daß die Patin, die
Königin von Schweden, so wenig wie der Pate sich die Mühe genommen
habe herzukommen. Die Insassen des siebenten und des achten Wagens
nannte er ihr mit einer Vertrautheit, die zeigte, daß er bei Hofe
sehr gut Bescheid wissen mußte. Die beiden Damen waren die
Prinzessinnen Mathilde und Marie. Die drei Herren waren der König
Jérôme, der Prinz Napoleon und der Prinz von Schweden, neben ihnen
die Großherzogin von Baden. Der Zug rückte nur langsam vor,
begleitet von Stallpagen, Adjutanten und
Ehrenrittern, die ihre Pferde am kurzen Zügel hielten, um sie zum
Schritt zu zwingen.
    »Wo ist denn der Kleine?« fragte Frau Charbonnel ungeduldig.
    »Man hat ihn gewiß nicht unter die Sitzbank gesteckt«, erwiderte
Gilquin lachend. »Er wird schon kommen.«
    Er umschlang Frau Correur noch fester, und sie wehrte es ihm
nicht aus Furcht zu fallen, wie sie sagte. Von Bewunderung
hingerissen, flüsterte er mit funkelnden Augen:
    »Es ist wirklich nett! Wie diese Schwerenöter in ihren
Samtkästen protzig tun! Und wenn man bedenkt, daß ich bei alledem
mitgearbeitet habe!«
    Er fing wieder an zu prahlen: der Zug, die Menge, alles, was man
sehen konnte, gehörte ihm. Aber nach dem kurzen Aufatmen, welches
das Erscheinen der ersten Wagen zur Folge hatte, erhob sich ein
wahrer Höllenlärm; jetzt tanzten auch am Ufer die Hüte über den
nickenden Köpfen; mitten auf der Brücke kamen sechs kaiserliche
Vorreiter in grüner Tracht mit runden Kappen, von denen vergoldete
Eicheln herabnickten. Dann endlich kam der Wagen der Kaiserin,
achtspännig, mit vier kostbaren Laternen an den Ecken, geräumig und
fast ganz aus Glas; so glich er einem Kristallschrein mit
Goldeinfassung und auf Goldrädern. Drinnen erkannte man deutlich in
einer Wolke von weißen Spitzen das rosige Gesichtchen

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