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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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warf einen schnellen Blick durch den Garten,
sah aber nur einen Gärtner, der in einem Baumgange kniend, ein
Korbbeet mit Geranien bepflanzte. Sie lächelte flüchtig und schritt
die drei Stufen hinauf, die zur Tür des Arbeitszimmers führten.
Rougon trat ihr schon daraus entgegen,
reichte ihr die Hand und fragte, nachdem er sie mitten in das
Gemach geleitet:
    »Sie fürchten doch nicht, daß ich Sie fressen würde? Sie wissen
wohl, daß ich der unterwürfigste Ihrer Sklaven bin … Was
fürchten Sie also?«
    Sie klopfte noch immer ihr Kleid leicht mit dem Peitschenstiel
und versetzte mit der stolzen Haltung einer Emanzipierten:
    »Ich fürchte überhaupt nichts.«
    Nachdem sie die Peitsche auf ein Sofa gelegt, blätterte sie von
neuem in ihrem Taschenbüchlein und fragte:
    »Sie nehmen zehn, nicht wahr?«
    »Ich würde zwanzig nehmen, wenn Sie es wünschten«, erwiderte er.
»Aber setzen Sie sich doch und lassen Sie uns ein wenig
plaudern! … Sie werden doch nicht sogleich wieder
flüchten?«
    »Also, ein Los für die Minute, gelt? … Wenn ich eine
Viertelstunde bliebe, wären es fünfzehn Lose; zwanzig Minuten
machten zwanzig, und so weiter bis zum Abend; mir wäre es
recht … Sind Sie einverstanden?«
    Sie lachten beide über diesen Vertrag. Clorinde ließ sich
endlich auf einen Sessel nieder, der in der Nische des offen
gebliebenen Fensters stand. Um sie nicht scheu zu machen, trat
Rougon an seinen Schreibtisch zurück. So plauderten sie zunächst
von dem Hause. Sie blickte aus dem Fenster, erklärte, der Garten
sei etwas klein, aber reizend mit dem Rasenplatze in der Mitte und
den Baumgruppen umher. Er entwarf ihr den Plan des Gebäudes; unten
im Erdgeschoß befanden sich außer seinem Arbeitszimmer ein großer
und ein kleiner Salon, sowie ein sehr schöner Speisesaal; im ersten
wie im zweiten Stockwerk noch je sieben Zimmer. Alles das war,
obgleich verhältnismäßig klein, für ihn doch viel zu geräumig. Als
der Kaiser ihm das Haus geschenkt hatte,
sollte er eine Witwe heiraten, die Seine Majestät selbst ihm
ausgewählt hatte. Aber sie war gestorben, und so würde er
Junggeselle bleiben.
    »Warum?« fragte sie und schaute ihm gerade in die Augen.
    »Bah!« versetzte er, »ich habe anderes zu tun. In meinem Alter
braucht man keine Frau mehr.«
    Sie aber zuckte die Achseln und sagte einfach:
    »Verstellen Sie sich doch nicht so!«
    Sie waren so weit gekommen, sehr freie Gespräche miteinander zu
führen. Sie behauptete, er müsse ein sehr heißes Blut haben; er
aber verwahrte sich dagegen und erzählte ihr von seiner Jugend, von
den Nächten, die er in nackten Kammern verbracht, in die, wie er
lachend sagte, nicht einmal die Wäscherinnen eintraten. Darauf
fragte sie ihn mit einer Art kindlicher Neugier nach seinen
Geliebten; er hatte gewiß einige gehabt, zum Beispiel eine, die
ganz Paris kannte, und die sich in der Provinz niedergelassen,
nachdem sie von ihm geschieden war, das konnte er nicht leugnen. Er
aber erklärte achselzuckend, daß er sich um Unterröcke nicht
kümmere. Wenn das Blut ihm zu Kopfe stieg – mein Gott, er war ein
Mann wie andere! Er hätte eine Zwischenwand eingedrückt, um in ein
Schlafzimmer zu gelangen; er hielt sich nicht bei den Kleinigkeiten
an den Türen auf. War es vorüber, so wurde er wieder sehr
ruhig.
    »Nein, keine Frau!« wiederholte er, während seine Augen sich an
Clorindes nachlässiger Haltung schon entflammten. »Das beansprucht
zuviel Platz!«
    Das Mädchen, in den Sessel hingegossen, lächelte seltsam. Ihr
Gesicht hatte einen schmachtenden Ausdruck, ihr Puls ging
schneller, und sie übertrieb ihre italienische singende Sprechweise
noch, indem sie entgegnete:
    »Lassen Sie nur gut sein, mein Lieber, Sie beten uns doch an. Was gilt die Wette, daß Sie in einem Jahre
verheiratet sind?«
    Sie war wirklich verführerisch, wie sie so siegesgewiß
dreinschaute. Seit einiger Zeit bot sie sich Rougon ruhig an. Sie
gab sich nicht die Mühe, die langsame Verführung, die feinen
Schlingen, mit denen sie ihn vom Beginn der Belagerung umgeben
hatte, zu verbergen; sie glaubte ihn jetzt hinlänglich erobert, um
die Maske abwerfen zu können. Ein wahrer Zweikampf entbrannte
zwischen ihnen. Wenn sie die Bedingungen auch noch nicht laut
besprachen, drückten ihre Lippen, ihre Augen doch sehr rückhaltlose
Geständnisse aus. Sahen sie einander an, konnten sie sich nicht
enthalten zu lächeln; und so forderten sie einander heraus.
Clorinde machte ihren Preis und ging gerade

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