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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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auf ihr Ziel los mit
einer stolzen Kühnheit, immer nur das zu bewilligen, was sie
bewilligen wollte. Rougon, trunken, aufgestachelt, setzte alle
Bedenken beiseite und träumte davon, dies schöne Mädchen einfach zu
seiner Liebsten zu machen und sie dann laufen zu lassen, um ihr so
seine Überlegenheit zu beweisen. Beider Hochmut kämpfte noch
erbitterter als ihre Sinne.
    »Bei uns«, fuhr sie mit gedämpfter Stimme fort, »ist die Liebe
die Hauptsache. »Zwölfjährige Mädchen haben schon ihren Liebsten…
Ich bin ein Junge geworden, weil ich gereist bin. Aber wenn Sie
meine Mutter gekannt hätten, als sie noch jung war! Sie ging
niemals aus, sie war so schön, daß man von weither kam, sie zu
besuchen. Ein Graf ist deshalb ein halbes Jahr lang in Mailand
geblieben, ohne auch nur das Ende ihrer Haarflechten zu sehen. Die
Italienerinnen sind nicht wie die Französinnen, die schwatzen und
umherlaufen; sie bleiben am Halse des Mannes, den sie erwählt
haben… Ich aber bin viel gereist, ich weiß nicht, ob ich treu
bleiben werde. Dennoch glaube ich, daß ich
sehr liehen werde, o ja, sehr! so daß ich daran sterben
könnte!«
    Ihre Lider hatten sich allmählich gesenkt, ihr Gesicht glänzte
in einem Ausdrucke wollüstigen Entzückens. Während sie sprach,
hatte Rougon mit zitternden Händen seinen Schreibtisch verlassen,
wie von einer höheren Macht angezogen. Als er sie jedoch erreicht
hatte, öffnete sie die Augen weit, sah ihn groß an und sagte
lächelnd, auf die Uhr weisend:
    »Jetzt sind es zehn Lose!«
    »Wie, zehn Lose?« stammelte er verwirrt.
    Als er sich endlich besann, lachte sie, als wolle sie bersten.
Sie gefiel sich darin, ihn so von Sinnen zu bringen, und wenn er
die Arme öffnen wollte, entschlüpfte sie ihm mit einem Worte; es
schien sie sehr zu ergötzen. Rougon sah sie, plötzlich erbleichend,
wütend an, was ihre Heiterkeit nur noch erhöhte.
    »Also, ich muß fort«, sagte sie. »Sie sind nicht artig genug mit
den Frauen… Nein, im Ernst, Mama erwartet mich zum Frühstück.«
    Er aber hatte seine väterliche Miene wieder angenommen. Nur in
seinen grauen Augen, unter den schweren Lidern, loderte noch eine
Flamme auf, wenn sie den Kopf umwandte, und er umfaßte dann ihre
ganze Gestalt mit einem Blick wie ein Mensch, der zum Äußersten
getrieben ist und ein Ende machen will. Vorläufig bemerkte er, sie
könne ihm recht gut noch fünf Minuten schenken. Die Arbeit, die er
vorhatte, war so langweilig: ein Bericht an den Senat über
Bittschriften! Er erzählte ihr von der Kaiserin, für die sie eine
wahre Verehrung hegte. Sie war seit acht Tagen in Biarritz. Da
lehnte sich das Mädchen wieder in den Sessel zurück, und das
Schwatzen nahm kein Ende. Sie kannte Biarritz, sie hatte dort einen
Sommer verbracht, als der Badeort noch
nicht in Mode gekommen war, Sie war verzweifelt, nicht dahin gehen
zu können, während der Hof dort weilte. Dann berichtete sie über
eine Sitzung der Akademie, wohin Herr von Plouguern sie tags zuvor
geführt hatte. Es war ein Schriftsteller neu aufgenommen worden,
über den sie unbarmherzig spottete, weil er kahlköpfig war. Sie
hatte übrigens ein Grauen vor Büchern. Sobald sie etwas las, mußte
sie sich mit Nervenanfällen zu Bett legen; sie verstand überhaupt
gar nicht, was sie las. Als Rougon ihr sagte, der tags zuvor
aufgenommene Schriftsteller sei ein Feind des Kaisers, und seine
Antrittsrede habe von abscheulichen Anspielungen gewimmelt, war sie
ganz verblüfft und erklärte:
    »Er sah aber ganz gutmütig aus!«
    Da wetterte Rougon auch seinerseits über die Bücher. Besonders
entrüstete ihn ein eben erschienener Roman, ein Werk der
verderbtesten Einbildungskraft, das sich einen Anschein von
Wahrheit gab und den Leser durch die Ausschweifungen einer
hysterischen Frau schleifte. Dieses Wort »hysterisch« schien ihm zu
gefallen; denn er wiederholte es dreimal. Als aber Clorinde ihn
bat, es ihr zu erklären, weigerte er sich, von einer großen
Schamhaftigkeit ergriffen.
    »Man kann alles sagen«, fuhr er fort; »nur gibt es eine gewisse
Art, in der man alles sagen kann… So muß man in der Verwaltung oft
die peinlichsten Dinge berühren. Ich habe zum Beispiel Berichte
über gewisse Frauen gelesen – Sie verstehen mich, wie? – da waren
sehr genaue Einzelheiten, in klarem und einfachem Stil angeführt,
ohne die Schamhaftigkeit zu verletzen! Dagegen haben die heutigen
Romanschriftsteller eine schlüpfrige Ausdrucksweise angenommen,
eine Art, die Dinge zu

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