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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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schildern, die sie einem lebendig vor die
Augen führt. Das heißen sie Kunst. Es ist Unanständigkeit, weiter
nichts.«
    Er sprach auch noch das Wort »Pornographie« und nannte sogar den Marquis de Sade, ohne ihn übrigens
gelesen zu haben. Beständig redend, manövrierte er mit großer
Geschicklichkeit, um hinter Clorindens Sessel zu gelangen, ohne daß
sie es bemerkte. Sie murmelte, ins Leere blickend:
    »Was die Romane betrifft, so habe ich nie einen einzigen
aufgeschlagen. Zu dumm, alle diese Lügen … Sie kennen nicht
›Leonora die Zigeunerin‹. Das Buch ist hübsch; ich habe es
italienisch gelesen, als ich noch klein war. Es handelt von einem
Mädchen, das schließlich einen großen Herrn heiratet. Im Anfang
wird sie von Räubern entführt.«
    Ein leises Knirschen hinter ihr ließ sie jedoch plötzlich den
Kopf wenden, als sei sie aus dem Schlafe aufgeschreckt, und sie
fragte:
    »Was machen Sie da?«
    »Ich lasse den Vorhang nieder«, versetzte er. »Die Sonne muß Sie
belästigen.«
    Wirklich fand sie sich von einem Sonnenstrahle getroffen, dessen
tanzende Lichter ihr Kleid mit glänzendem Schimmer vergoldeten, und
rief:
    »Wollen Sie wohl den Vorhang lassen, wo er ist! Ich liebe die
Sonne und befinde mich wie im Bade.«
    Sehr beunruhigt, erhob sie sich halb und blickte hinaus, ob der
Gärtner noch da sei. Als sie auf der andern Seite des Korbbeetes
den Rücken seines blauen Kittels erblickte, nahm sie beruhigt und
lächelnd wieder Platz. Rougon, welcher der Richtung ihres Blickes
gefolgt war, zog den Vorhang herab, während sie ihn neckte. Er
liebte also den Schatten wie die Eulen. Doch zeigte er sich nicht
verdrossen, sondern trat in die Mitte des Zimmers mit den langsamen
Bewegungen eines Bären, der einen heimtückischen Streich plant.
    Als er am andern Ende des Zimmers an einem
großen Sofa stand, über dem ein fast lebensgroßes Bild hing, rief
er sie heran:
    »Kommen Sie doch her. Sie haben mein letztes Bild noch nicht
gesehen.«
    Sie streckte sich noch behaglicher im Sessel aus und erwiderte,
noch immer lächelnd:
    »Ich sehe es von hier sehr gut. Übrigens haben Sie es mir schon
früher gezeigt.«
    Er ließ sich nicht entmutigen. Auch am andern Fenster hatte er
den Vorhang niedergelassen und erfand noch zwei oder drei Vorwände,
sie in diesen verschwiegenen Winkel zu. locken, wo es sehr
gemütlich war, wie er sagte. Sie verachtete diese grobe Falle und
antwortete nicht einmal, sondern begnügte sich, den Kopf zu
schütteln. Als er sah, daß sie ihn durchschaute, pflanzte er sich
mit ineinandergelegten Händen wieder gerade vor sie hin, gab die
Verstellung auf und forderte sie geradezu heraus.
    »Eben fällt mir ein, ich wollte Ihnen Monarque, mein neues
Pferd, zeigen. Sie wissen, ich habe mein Pferd umgetauscht… Wollen
Sie mir Ihre Meinung darüber sagen? Sie sind ja eine
Pferdefreundin.«
    Sie weigerte sich abermals. Er aber drang in sie: der Stall sei
nur zwei Schritte entfernt, es werde höchstens fünf Minuten dauern.
Als sie bei ihrer Weigerung beharrte, sagte er halblaut mit fast
verächtlicher Gebärde:
    »Ah, Sie haben keinen Mut!«
    Das wirkte wie ein Peitschenhieb. Sie erhob sich ernst, etwas
bleich und sagte einfach:
    »Kommen Sie zu Monarque!«
    Sie warf ihre Schleppe wieder über den linken Arm und blickte
ihm gerade in die Augen. Ein Weilchen sahen sie sich so scharf an,
daß einer in des andern Gedanken las. Es
war ein schonungsloser Kampf, der angeboten und angenommen wurde.
Sie stieg die Stufen hinab, er folgte, mechanisch seinen Hausrock
zuknöpfend. Aber sie hatte in dem Baumgange keine drei Schritte
getan, als sie stehenblieb und sagte:
    »Warten Sie!«
    Sie eilte zurück, und als sie wiederkam, hielt sie mit den
Fingerspitzen ihre Reitpeitsche, die sie hinter einem Kissen des
Sofas hatte liegen lassen. Rougon schielte nach der Peitsche, dann
hob er langsam die Augen zu Clorinde. Jetzt lächelte sie und
schritt von neuem voran.
    Der Stall befand sich zur Rechten im Hintergrunde des Gartens.
Als sie an dem Gärtner vorbeikamen, ordnete dieser seine Werkzeuge;
er stand da und war im Begriffe fortzugehen. Rougon zog seine Uhr;
es war fünf Minuten nach elf, der Stallknecht mußte jetzt beim
Frühstück sein. Barhaupt folgte er im Sonnenbrande Clorinde, die
rechts und links in das Gebüsch hieb, ohne ein Wort zu reden,
selbst ohne zurückzublicken. Am Stalle ließ sie Rougon die Tür
öffnen und trat vor ihm ein. Die Tür, die zu heftig zurückgestoßen
worden, fiel mit

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