Seine Exzellenz Eugène Rougon
lautem Geräusche ins Schloß; sie aber lächelte nur
mit offener, stolzer und zuversichtlicher Miene.
Der Stall war klein, ganz gewöhnlich, mit vier Eichenständen.
Obgleich die Fliesen erst am Morgen gescheuert und das Holzwerk,
Krippen und Raufen, sehr sauber gehalten waren, stieg dennoch ein
durchdringender Geruch auf, und es war warm in dem Räume wie im
Badezimmer. Das Licht drang schräg durch zwei runde Luken herein
und erhellte nur die Decke, nicht die Winkel am Boden. Clorinde,
aus dem hellen Sonnenlichte hereintretend, konnte anfangs nichts
unterscheiden, doch wartete sie und öffnete die Türe nicht wieder,
um nicht furchtsam zu erscheinen. Nur zwei
Stände waren besetzt. Die Pferde schnauften und drehten die Köpfe
um.
»Dies ist es?« fragte sie, nachdem ihre Augen sich an das Dunkel
gewöhnt hatten. »Es sieht sehr gut aus.«
Sie klopfte das Tier auf die Kruppe, trat dann in den Stand und
streichelte es an den Flanken, ohne die geringste Furcht zu
bezeigen. Sie wünsche seinen Kopf zu sehen, sagte sie. Gleich
darauf hörte Rougon, wie sie dem Tiere derbe Küsse auf die Nüstern
drückte.
»Kommen Sie heraus!« bat er eifersüchtig. »Wenn das Pferd sich
herumwirft, würde es Sie zerdrücken!«
Sie aber lachte nur, küßte das Tier noch stärker und flüsterte
ihm allerhand Zärtlichkeiten zu; so daß es, von diesem unerwarteten
Regen von Liebkosungen überrascht, stillhielt, während Schauer über
sein seidenglänzendes Fell liefen. Endlich kam sie zurück. Sie
sagte, sie liebe die Pferde über alles, und diese kennten sie sehr
gut, denn sie täten ihr nie etwas zuleide, auch wenn sie sie necke.
Sie wisse sie schon zu behandeln, es seien sehr kitzlige Tiere;
dieses aber sehe sehr gutmütig aus. Sie hockte hinter ihm nieder,;
hob mit beiden Händen einen Fuß auf, um den Beschlag zu
untersuchen, und das Pferd ließ es sich ruhig gefallen.
Rougon stand da und verschlang sie mit den Blicken, wie sie da
am Boden vor ihm hockte. Wenn sie inmitten des großen Haufens ihrer
Röcke sich vorbeugte, schwellten ihre Hüften den Stoff. Er sagte
nichts mehr, die Kehle war ihm wie zugeschnürt von der Scheu, die
gewalttätigen Menschen eigen ist. Schließlich beugte er sich
dennoch nieder, und sie fühlte eine Berührung unter den Achseln so
leise, daß sie sich in ihrer Untersuchung der Pferdehufe nicht
stören ließ. Rougon tastete mit verhaltenem Atem weiter nach vorn;
sie aber zitterte nicht, als ob sie es erwartet habe. Sie ließ nur den Huf los und sagte, ohne sich
umzuwenden:
»Was haben Sie denn? Was fällt Ihnen ein?«
Er wollte sie umfassen, sie aber schnippte ihn auf die Finger
und fuhr fort:
»Bitte, keine Handgreiflichkeiten! Ich bin wie die Pferde
kitzlig… Sie sind närrisch!«
Sie lachte, als ob sie ihn nicht verstehe. Als sein Atem ihr
warm über den Nacken wehte, erhob sie sich mit der mächtigen
Schnellkraft einer stählernen Sprungfeder, entwischte ihm und
stellte sich den Ständen gegenüber an die Wand. Er folgte ihr mit
ausgebreiteten Armen, um von ihr irgend etwas zu erhaschen; sie
aber hielt ihre Schleppe mit der Linken wie einen Schild vor, in
der erhobenen Rechten die Reitpeitsche. Seine Lippen zitterten, er
sprach kein Wort; sie aber plauderte ganz gemütlich weiter.
»Sie werden mich nicht berühren«, sagte sie. »Ich habe fechten
gelernt, als ich noch jung war. Es tut mir leid, es nicht weiter
geübt zu haben. Nehmen Sie Ihre Finger in acht! Habe ich es Ihnen
nicht gesagt?«
Sie schien zu spielen; sie schlug nicht derb zu, sondern
streifte ihm nur die Haut, sooft er seine Hände vorstreckte.
Sie war so behende in der Abwehr, daß er nicht einmal ihr Gewand
ergreifen konnte. Anfangs hatte er sie an den Schultern fassen
wollen; zweimal von der Peitsche berührt, wollte er sie um die
Mitte fassen; abermals getroffen, beugte er sich heimtückisch zu
ihren Knien hinab, jedoch nicht schnell genug, um einem Regen von
leichten Hieben zu entgehen, unter dem er sich wieder aufrichten
mußte. Rechts und links hörte man das leichte Klatschen der
Hiebe.
Rougon, mit Hieben bedeckt, daß ihm die Haut juckte, wich einen
Augenblick zurück. Er war jetzt sehr rot, und Schweißtropfen
begannen auf seinen Schläfen zu perlen. Der starke Stallgeruch benahm ihm die Sinne, die
Dunkelheit und der warme Tierdunst ermutigten ihn, alles zu wagen.
Er stürzte sich rücksichtslos wiederholt auf das Mädchen; sie aber
tippte mit der Peitsche nicht mehr freundschaftlich, sondern hieb
immer derber
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