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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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ihr
empfahl, Delestang treu zu bleiben, wurde sie schließlich
verdrossen und rief:
    »Lassen Sie mich in Frieden! Ich denke gar nicht an solche
Dinge! … Sie werden am Ende beleidigend!«
    Eines Tages erwiderte sie ihm eigensinnig:
    »Wenn es sich ereignete, was ginge es Sie an? Sie hätten doch
nichts dabei zu verlieren!«
    Er errötete und ließ sie einige Zeit mit seinen Vorlesungen über
ihre Pflichten, über die Welt und Wohlanständigkeit in Ruhe. Diese
beständigen Anwandlungen von Eifersucht waren alles, was von seiner
ehemaligen Leidenschaft übrig geblieben war. Er trieb es so weit,
daß er sie bei den Leuten, die sie besuchte, überwachen ließ. Hätte
er die geringste Verirrung bemerkt, würde er sie wohl dem Gatten
angezeigt haben. Wenn er diesen unter vier Augen sprach, mahnte
er ihn zur Vorsicht und wies auf die
außerordentliche Schönheit seiner Frau hin. Aber Delestang lachte
nur mit geckenhafter Zuversichtlichkeit, so daß Rougon an seiner
Statt alle Qualen des betrogenen Gatten erduldete. Seine übrigen,
sehr praktischen Ratschläge zeigten seine große Freundschaft für
Clorinde. Er bewog sie schließlich, ihre Mutter nach Italien
heimzusenden. Die Gräfin Balbi, die nunmehr das Haus in den
Elyseischen Feldern allein bewohnte, führte darin ein seltsam
ungebundenes Leben, von dem man sprach. Er übernahm es, für sie die
heikle Angelegenheit eines jährlichen Jahrgeldes zu regeln. Das
Haus wurde verkauft, und damit war die Vergangenheit der jungen
Frau wie ausgelöscht. Dann bemühte er sich, sie von ihren
Absonderlichkeiten abzubringen, stieß dabei aber auf eine absolute
Kindlichkeit, auf die Halsstarrigkeit eines beschränkten
Frauenkopfes. Clorinde lebte als Frau eines reichen Mannes
unglaublich verschwenderisch, dazwischen hatte sie Anfälle von
schmutzigem Geiz. Sie hatte ihr kleines Hausmädchen, die schwarze
Antonia, beibehalten, die den ganzen Tag Apfelsinen lutschte. Sie
beide verunreinigten die Gemächer der Hausfrau, einen großen Teil
des geräumigen Hauses in der Kolosseumstraße, ganz schrecklich.
Wenn Rougon sie besuchte, fand er schmutzige Teller auf den Sesseln
und Gefäße voll Fruchtsaft an den Wänden. Unter den Möbeln ahnte er
einen Wust unsauberer Sachen, die bei der Ankündigung seines
Besuches dorthin gesteckt wurden. Inmitten ihrer fettfleckigen
Tapeten und des fingerdick bestaubten Getäfels hatte sie nach wie
vor die unglaublichsten Einfälle. Oft empfing sie ihn halbnackt, in
ein Laken gehüllt und so auf ein Sofa hingestreckt, sich über
unmögliche Krankheiten beklagend; ein Hund fresse ihr die Füße weg;
oder sie habe aus Versehen eine Nadel verschluckt, die ihr zum
linken Schenkel wieder herauskommen wolle.
Ein andermal schloß sie die Vorhänge um drei Uhr, zündete alle
Lichter an und tanzte mit Antonia, wobei sie so ausgelassen
lachten, daß sie, wenn er eintrat, ganze fünf Minuten an der Tür
lehnen mußte, um Atem zu schöpfen, ehe sie hinausgehen konnte.
Eines Tages wollte sie sich nicht sehen lassen, sie hatte die
Vorhänge ihres Bettes von oben bis unten zugenäht und schwatzte aus
diesem Käfig heraus über eine Stunde so ruhig mit ihm, als ob sie
am Kamin einander gegenüber säßen. Ihr schien dergleichen ganz
naturgemäß, und wenn er sie deswegen ausschalt, entgegnete sie
erstaunt, sie begehe durchaus kein Unrecht. Er hatte gut Anstand
predigen, ihr versprechen, sie binnen vier Wochen zur
verführerischesten Frau von ganz Paris zu machen: sie wurde
unwillig und wiederholte:
    »Ich bin einmal so und lebe so … Was geht das andere
an?«
    Zuweilen lächelte sie und flüsterte:
    »Lassen Sie, man liebt mich doch!«
    Und wirklich, Delestang vergötterte sie. Sie war seine Geliebte
geblieben, hatte aber um so mehr Macht über ihn, je weniger sie
seine Frau schien. Bei ihren Launen drückte er die Augen zu, von
der schrecklichen Besorgnis erfaßt, sie möge ihn eines Tages sitzen
lassen, wie sie gedroht. In seiner Unterwürfigkeit ahnte er
vielleicht, daß sie ihm überlegen und wohl imstande sei, aus ihm zu
machen, was ihr beliebe. Vor der Welt behandelte er sie als Kind
und redete von ihr mit der überlegenen Zärtlichkeit eines ernsten
Mannes. Zu Hause aber weinte dieser große schöne Mann mit dem
stolzen Kopfe die ganze Nacht, wenn sie ihm ihre Kammer nicht
öffnen wollte. Nur die Schlüssel der Zimmer des ersten Stockes
behielt er für sich, um den großen Salon vor Fettflecken zu
schützen.
    Rougon setzte bei Clorinde wenigstens das

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