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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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zu schlagen.
    Groß war die Bestürzung! Du Poizat wurde wütend: seit länger als
einem Jahre trat er das Pariser Pflaster; bei seiner letzten Reise in die Vendee hatte sein Vater
eine Pistole aus dem Kasten gezogen, als er ihn um zehntausend
Franken anging, um ein glänzendes Geschäft damit zu machen. Sollte
er jetzt wieder anfangen, Hungerpfoten zu saugen wie im Jahre
achtundvierzig. Herr Kahn war ebenfalls aufgebracht: seine Hochöfen
in Bressuire konnte er nicht lange mehr halten; er war verloren,
wenn er nicht in einem halben Jahre spätestens die Genehmigung zum
Bau seiner Bahn erhielt. Die anderen: Herr Bejuin, der Oberst, die
Bouchards, die Charbonnels ergingen sich gleicherweise in
Wehklagen. So konnte die Geschichte nicht weitergehen. Rougon war
wirklich nicht bei Sinnen; man mußte mit ihm sprechen. Darüber
vergingen vierzehn Tage. Clorinde, die bei der ganzen Schar in
hohem Ansehen stand, hatte entschieden, es sei nicht klug, den
großen Mann direkt anzugehen; man wartete also auf eine
Gelegenheit. Eines Sonntagabends, Mitte Oktober, als Rougons
Freunde vollzählig um ihn versammelt waren, sagte er lächelnd:
»Wissen Sie, was ich heute bekommen habe?« Eine rosafarbene Karte
zeigend, die er hinter der Uhr hervornahm, fuhr er fort:
    »Eine Einladung zu Hofe nach Compiegne.« In diesem Augenblick
öffnete der Kammerdiener vorsichtig die Tür und meldete, der Mann,
den der gnädige Herr erwarte, sei da. Rougon entschuldigte sich und
ging hinaus. Clorinde erhob sich lauschend, dann sagte sie
nachdrücklich:
    »Er muß nach Compiegne gehen!«
    Die Freunde blickten sich vorsichtig um, aber sie waren ganz
allein; Frau Rougon hatte das Zimmer schon vorher verlassen.
Nunmehr begannen sie sich freier zu äußern, doch schielten sie
dabei beständig nach der Tür. Die Frauen bildeten vor dem
flackernden Kaminfeuer einen Kreis; Herr Bouchard und der Oberst
saßen bei ihrem ewigen Piket; dieübrigen Herren
hatten ihre Sessel in die entfernteste Ecke gerollt, um unter sich
zu sein. Clorinde stand gesenkten Hauptes inmitten des Zimmers, in
tiefes Nachdenken versunken.
    »Er erwartet also jemanden? Wer mag das sein?« fragte Du
Poizat.
    Die anderen zuckten die Achseln, ohne eine Antwort zu geben, und
jener fuhr fort:
    »Vielleicht hängt es auch mit seinem großen dummen Plane
zusammen. Ich bin mit meiner Geduld zu Ende. Nächstens, sollt ihr
sehen, sage ich ihm alles ins Gesicht, was ich auf dem Herzen
habe.«
    »St!« mahnte Herr Kahn und legte den Finger auf die Lippen.
    Der vormalige Unterpräfekt hatte beunruhigend laut gesprochen.
Alle horchten einen Augenblick, dann fuhr Herr Kahn sehr leise
fort:
    »Er hat sich uns ohne Zweifel verpflichtet.«
    »Sagen Sie lieber, er hat uns gegenüber eine Schuld übernommen«,
bemerkte der Oberste seine Karten legend.
    »Gewiß, das ist der richtige Ausdruck«, erklärte Herr Bouchard.
»Wir haben es ihm am letzten Tage im Staatsrat nicht
geschenkt.«
    Die anderen nickten beistimmend, und alle brachen in Klagen aus.
Rougon hatte sie alle zugrunde gerichtet. Herr Bouchard fügte
hinzu, ohne seine Anhänglichkeit im Unglück würde er längst
Abteilungsvorsteher sein. Wollte man dem Oberst glauben, so hätte
der Graf de Marsy ihm das Kommandeurkreuz und eine Stelle für
seinen August anbieten lassen, er aber habe aus Freundschaft für
Rougon beides ausgeschlagen. Die Eltern des Herrn d'Escorailles
seien sehr unzufrieden, daß ihr Sohn noch immer Beisitzer sei,
äußerte die niedliche Frau Bouchard, sie hätten seit einem halben
Jahre seine Ernennung zum Untersuchungsrichter erwartet. Und selbst die, welche schwiegen:
Delestang, Frau Correur, die Charbonnels, kniffen die Lippen
zusammen und hoben die Augen gen Himmel mit dem Ausdruck von
Märtyrern, denen die Geduld auszugehen droht.
    »Kurz und gut, wir sind die Geprellten«, nahm Du Poizat wieder
das Wort. »Aber er wird nicht abreisen, dafür stehe ich! Hat es
einen Sinn, sich in irgendeinem Loche mit Kieseln herumzuschlagen,
wenn man in Paris so Wichtiges zu tun hat? … Soll ich mit ihm
sprechen?«
    Clorinde erwachte aus ihrem Brüten und gebot ihm mit einer
Handbewegung Schweigen. Nachdem sie zur Tür hinausgeblickt, um sich
zu überzeugen, daß niemand nebenan sei, wiederholte sie: »St! Nicht
hier!«
    Doch fügte sie hinzu, sie sei mit ihrem Gatten ebenfalls nach
Compiègne geladen, und ließ ferner die Namen des Herrn von Marsy
und der Frau von Llorentz fallen, ohne jedoch Näheres mitzuteilen.
Man werde den

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