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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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nach Angers, stand immer
noch auf demselben Fleck; der Lump von Langlade, der Präfekt von
Deux-Sèvres, hatte sich erdreistet, diesen seinen Plan als
Wahlmanöver zugunsten des neuen Regierungskandidaten zu benutzen.
Herr La Rouquette schlüpfte jetzt hinter die Sessel der Damen und
flüsterte ihnen Worte ins Ohr, worüber sie lächelten. Hinter einem
Walle von Sesseln redete Frau Gorreur lebhaft mit Du Poizat, sie
fragte ihn über ihren Bruder Martineau, den Notar von Coulonges,
aus, und erfuhr, daß Du Poizat ihn einen Augenblick vor der Kirche
habe stehen sehen, kalt und ernst wie immer. Als sie dann ihre
beliebten Beschuldigungen wieder vorbrachte, riet er ihr spöttisch,
auf keinen Fall dorthin zu kommen, denn Frau Martineau. habe
geschworen, sie zur Tür hinauszuwerfen. Frau Correur trank ihren
Tee aus, obgleich sie fast erstickte.
    »Kinder, es ist Zeit, zu Bett zu gehen!« bemerkte Rougon
väterlich.
    Es war zehn Uhr fünfundzwanzig Minuten; er gab also noch fünf
Minuten zu. Einige Gäste verabschiedeten sich. Er begleitete Herrn
Kahn und Herrn Béjuin, denen Frau Rougon stets Empfehlungen an ihre
Frauen auftrug, obgleich sie diese höchstens zweimal jährlich sah.
Die Charbonnels, die sich nur schwer zum Gehen entschlossen,
drängte er sanft der Türe zu. Als die hübsche Frau Bouchard
zwischen den Herren d'Escorailles und La Rouquette hinausging, rief
er zum Spieltisch hinüber:
    »He, Herr Bouchard, Ihre Frau wird Ihnen entführt!«
    Doch der Bureauvorsteher achtete nicht darauf und kündigte sein
Spiel an:
    »Eine Quint in Eichel, die ist gut … Drei Könige sind auch
gut … «
    Da nahm Rougon mit seinen plumpen Händen ihnen ohne weiteres die
Karten weg und sagte:
    »Für heute ist's genug, jetzt geht! Schämt
ihr euch nicht, ihr Spielratten! … Hören Sie, Oberst, seien
Sie vernünftig!«
    So ging es jeden Donnerstag und Sonntag. Er mußte sie mitten im
schönsten Spiele unterbrechen, zuweilen sogar die Lampe auslöschen,
um sie zum Aufbruch zu bewegen, worauf sie verdrossen und zankend
davongingen.
    Delestang und Clorinde blieben bis zuletzt. Während er
allenthalben ihren Fächer suchte, sagte sie leise zu Rougon:
    »Sie tun unrecht, daß Sie sich nicht einige Bewegung machen. Sie
werden krank werden!«
    Er bewegte die Hand, gleichgültig und in sein Schicksal ergeben.
Frau Rougon suchte schon die Tassen und die Teelöffel zusammen. Als
die Delestangs ihm die Hand reichten, gähnte er ganz herzhaft, und
um nicht den Glauben zu erwecken, als habe die Gesellschaft ihn
gelangweilt, bemerkte er höflich:
    »Heute nacht werde ich aber mal tüchtig schlafen!«
    So verliefen alle Abendgesellschaften Rougons, bei denen es nach
dem Ausdrucke Du Poizats Langeweile regnete. Er fand auch, es
rieche dort zu stark nach Frömmigkeit. Clorinde benahm sich wie
eine Tochter. Oft kam sie nachmittags allein mit irgendeinem
Auftrage zu Rougon. Sie sagte lachend zu Frau Rougon, daß sie ihrem
Manne den Hof mache, worauf diese, mit den bleichen Lippen
lächelnd, sie stundenlang allein ließ. Sie schwatzten vertraulich
miteinander, ohne sich, wie es schien, der Vergangenheit zu
erinnern; sie reichten sich freundschaftlich die Hand in demselben
Zimmer, wo er ein Jahr früher vor Verlangen nach ihr
herumgetrippelt war. An alles nicht mehr denkend, überließen sich
beide einer ruhigen Vertraulichkeit. Er strich ihr die ungebärdigen
Löckchen an den Schläfen glatt oder half ihr die endlose Schleppe
zwischen den Sesseln hindurchwinden. Als
sie eines Tages durch den Garten gingen, war sie neugierig, die
Stalltüre zu öffnen. Sie trat ein und sah ihn dabei lachend an. Er
lächelte ebenfalls und begnügte sich, die Hände in den Taschen, zu
brummen:
    »Ach ja, man ist manchmal recht dumm!«
    Bei jedem Besuche gab er ihr ausgezeichnete Ratschläge. Er nahm
Delestang in Schutz, der im ganzen doch ein guter Ehemann war. Sie
versetzte zurückhaltend, daß sie ihn achte, auch gab sie ihm nicht
den geringsten Anlaß zur Klage. Aus ihren geringfügigsten
Äußerungen sprach große Gleichgültigkeit, fast Verachtung gegen die
Männer. Wenn von einer Frau mit unzähligen Liebhabern die Rede war,
öffnete sie die Augen weit wie ein Kind und fragte erstaunt: Darin
findet sie ein Vergnügen? Sie vergaß ihre Schönheit ganze Wochen
hindurch und erinnerte sich ihrer nur, wenn sie ihrer bedurfte,
aber dann bediente sie sich ihrer wie einer Waffe. Wenn Rougon mit
seltsamer Hartnäckigkeit auf diesen Gegenstand zurückkam und

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