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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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großen Mann selbst gegen seinen Willen wieder zur
Macht drängen, ihn zu dem Zwecke nötigenfalls bloßstellen. Herr
Beulin d'Orchère und alle Mitglieder des höheren Richterstandes
wirkten im Geheimen für ihn. – Herr La Rouquette fügte hinzu, daß
der Kaiser in seiner Rougon feindlich gesinnten Umgebung das
tiefste Schweigen bewahre; sobald man ihn in seiner Gegenwart
nenne, werde er ernst, sein Blick verschleiere sich, und seine
Lippen verschwänden im Schatten des Schnurrbarts.
    »Es handelt sich nicht um uns«, erklärte Herr Kahn endlich.
»Wenn unser Vorhaben gelingt, wird das Land uns Dank schulden.«
    Darauf erging man sich mit erhobener Stimme in Lobsprüchen auf
den Hausherrn. Nebenan waren eben Stimmen vernehmbar geworden, und
Du Poizat, von Neugier gepeinigt, stieß die Tür auf, als ob er
hinausgehen wolle; dann schloß er sie langsam genug, um den Mann zu
erkennen, mit dem Rougon sprach. Es war
Gilquin in dickem Überrock, fast sauber, in der Hand ein starkes
Rohr mit Kupferknopf. Er sagte eben mit übertriebener
Vertraulichkeit, ohne die Stimme zu dämpfen:
    »Also schicke jetzt nicht zu Grenelle in die Virginiastraße. Ich
habe Scherereien gehabt; ich bleibe in Batignolles draußen, in der
Passage Guttin … Jedenfalls kannst du auf mich rechnen. Auf
baldiges Wiedersehen!«
    Damit reichte er Rougon die Hand. Als dieser in den Salon
zurückkehrte, entschuldigte er sich und blickte dabei Du Poizat
scharf an, worauf er sich mit den Worten an ihn wandte:
    »Ein braver Kerl, Sie kennen ihn – nicht wahr, Du Poizat? Er
wirbt mir Ansiedler für meine neue Welt dahinten in den
Landes … Übrigens nehme ich euch alle mit, also packt nur eure
Siebensachen. Kahn wird mein erster Minister, Delestang und seine
Frau bekommen die auswärtigen Angelegenheiten, Béjuin die Post.
Auch die Damen werde ich nicht vergessen; Frau Bouchard wird den
Herrscherstab der Schönheit führen, Frau Charbonnel die Schlüssel
der Speicher und Vorratskammern.«
    Während er so scherzte, fragten sich die Freunde besorgt, ob er
sie nicht durch eine Türspalte gehört habe. Als er dem Oberst alle
seine Orden anbot, wurde dieser beinahe ärgerlich. Clorinde
betrachtete inzwischen die Einladung nach Compiegne, die sie vom
Kamin genommen hatte, und fragte nachlässig:
    »Werden Sie hingehen?«
    »Ohne Zweifel!« versetzte Rougon erstaunt. »Ich denke, die
Gelegenheit zu benutzen, um mir mein Land vom Kaiser geben zu
lassen.«
    Es schlug zehn Uhr, und Frau Rougon erschien mit dem Tee.

Kapitel 7
     
    Am Abend des Tages, als Clorinde zu Compiègne angekommen war,
plauderte sie mit Herrn von Plouguern in einem Fenster der
Wandkartengalerie. Man erwartete das kaiserliche Paar, um sich in
den Speisesaal zu begeben. Die zweite Folge der für dieses Jahr
Eingeladenen befand sich kaum seit drei Stunden im Schlosse, und
weil noch nicht alle versammelt waren, beschäftigte sich die junge
Frau damit, die Eintretenden mit einem Worte zu beurteilen. Die
Damen in ausgeschnittenen Kleidern und Blumen im Haar, steckten
schon in der Tür ein holdes Lächeln auf, die Herren bewahrten eine
ernste Haltung mit ihren weißen Krawatten, kurzen Beinkleidern und
seidenen Strümpfen.
    »Da ist der Ritter!« flüsterte Clorinde. »Er sieht sehr gut aus…
Aber sieh doch, Pate, Herrn Beulin d'Orchère, man sollte meinen, er
müsse anfangen zu bellen, und was für Beine, gerechter Gott!«
    Herr von Plouguern hörte diesen Spöttereien schmunzelnd zu. Der
Ritter Rusconi kam und begrüßte Clorinde mit der schmachtenden
Artigkeit der schönen Italiener; dann machte er bei den übrigen
Frauen die Runde, sich in abgemessenen Verbeugungen wiegend, die
einen sehr gefälligen Eindruck machten. Einige Schritte abseits
stand Delestang, in die großen Karten des Compiègner Waldes
vertieft, welche die Wände der Galerie bedeckten.
    »In welchem Wagen bist du denn gekommen?« fragte Clorinde. »Ich
habe dich auf dem Bahnhofe gesucht, um mit
dir zu fahren. Denke dir, ich war in einen Haufen Menschen
eingeklemmt.
    Plötzlich unterbrach sie sich und erstickte zwischen den Fingern
einen Lachanfall:
    »Herr La Rouquette sieht zuckersüß aus.«
    »Ja, wie ein Frühstück von Pensionärinnen«, bemerkte der Senator
boshaft.
    In diesem Augenblicke wurde an der Tür ein lautes Rauschen von
Gewändern vernehmlich. Der Flügel öffnete sich sehr weit, und
herein trat eine Frau in einem Kleide, dermaßen mit Schleifen,
Blumen und Spitzen überladen, daß sie den Rock mit beiden

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