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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Händen
zusammendrücken mußte, um durchzukommen. Es war Frau von Combelot,
Clorindens Schwägerin. Diese warf der Eintretenden einen
spöttischen Blick zu und flüsterte:
    »Sollte man's für möglich halten!«
    Als Herr von Plouguern sie selbst ansah, die im ganz einfachen
Tarlatankleide über einem schlecht zugeschnittenen rosa
Untergewande dastand, fuhr sie im Tone vollkommener
Gleichgültigkeit fort:
    »Weißt du, Pate, mich nimmt man schon wie ich bin!«
    Inzwischen hatte Delestang die Karten verlassen und war seiner
Schwester entgegengegangen, um sie seiner Frau zuzuführen. Sie
standen miteinander auf gespanntem Fuße und tauschten eine
sauer-süße Begrüßung aus. Dann ging Frau von Combelot weiter, eine
Atlasschleppe hinter sich herziehend, die einem Blumenbeete glich,
so daß alles einige Schritte vor dieser Hochflut von Spitzen
beiseite trat. Als Clorinde sich wieder mit Herrn von Plouguern
allein sah, scherzte sie über die große Leidenschaft, die ihre
Schwägerin für den Kaiser bezeigte. Nachdem der Senator von dem
heldenhaften Widerstände des letzteren berichtet hatte, bemerkte
sie:
    »Das ist kein großes Verdienst; sie ist so
mager! Ich habe gehört, daß andere sie hübsch finden, ich weiß
nicht, weshalb. Sie hat ein völlig nichtssagendes Gesicht.«
    Bei diesen Worten blickte sie beständig aufmerksam zur Tür und
sagte:
    »Diesmal muß es Herr Rougon sein.«
    Aber« mit einem Aufblitzen ihrer Augen fuhr sie fort:
    »Nein, es ist Herr von Marsy.«
    Der Minister, sehr sorgfältig mit schwarzem Frack und Kniehosen
bekleidet, kam lächelnd auf Frau von Combelot zu; während er sie
begrüßte, schweiften seine Blicke unstet und verschleiert über die
Gäste, als ob er niemanden kenne. Als man; ihn begrüßte, verbeugte
er sich sehr verbindlich. Mehrere Herren näherten sich ihm, und
bald stand er inmitten eines dichten Ringes. Sein bleiches Gesicht
mit den feinen, boshaften Zügen ragte über die Schultern der sich
vor ihm Verneigenden hervor.
    »Übrigens«, wandte sich Clorinde wieder an Herrn von Plouguern,
indem sie ihn tiefer in die Nische zog, »habe ich darauf gerechnet,
daß du mir Näheres berichten wirst… Was weißt du über die
berüchtigten Briefe der Frau von Llorentz?«
    »Was alle Welt weiß!« versetzte er.
    Er begann, von den drei Briefen zu erzählen, die Herr von Marsy
vor fünf Jahren kurz vor der Hochzeit des Kaisers an Frau von
Llorentz gerichtet haben sollte. Sie hatte eben ihren Gatten, einen
General spanischer Herkunft, verloren, und befand sich damals in
Madrid, um die Hinterlassenschaft zu ordnen. Es war die schöne Zeit
der Liebschaft. Der Graf hatte, um sie aufzuheitern, auch seiner
Neigung zum Schwänkedichten folgend, ihr äußerst heikle
Mitteilungen Über gewisse hohe Personen gemacht, in deren Umgebung
er lebte. Man sagte, daß Frau von Llorentz, eine schöne, höchst eifersüchtige Frau, seit jener Zeit
diese Briefe verwahre und sie als ein Racheschwert über das Haupt
des Herrn von Marsy halte.«
    »Sie ließ sich von der Notwendigkeit überzeugen, daß er eine
walachische Fürstin heirate«, schloß der Senator. »Aber nachdem sie
ihm einen Honigmond vergönnt, bedeutete sie ihm, daß er zu ihren
Füßen zurückzukehren habe, andernfalls werde sie eines schönen
Morgens die drei schrecklichen Briefe auf den Schreibtisch des
Kaisers niederlegen; so hat er denn sein Joch wieder aufgenommen…
Er überhäuft sie mit Gefälligkeiten, um sie zur Herausgabe dieser
verdammten Briefe zu bewegen.«
    Clorinde lachte sehr; die Geschichte schien ihr überaus drollig,
und sie hatte noch viel darüber zu fragen. Wenn der Graf Frau von
Llorentz hinterginge, würde sie imstande sein, ihre Drohung
auszuführen? Wo verwahrte sie diese drei Briefe? – In ihrem
Leibchen, zwischen zwei Atlasbändern, wie sie hatte sagen hören.
Aber Herr von Plouguern wußte es auch nicht genau. Er kannte einen
jungen Menschen, der, um eine Abschrift davon nehmen zu können,
unnützerweise ein halbes Jahr lang den unterwürfigen Sklaven der
Frau von Llorentz gespielt hatte.
    »Zum Teufel!« fuhr er fort, »er läßt dich nicht aus den Augen,
Kleine! Wirklich, ich habe es ganz vergessen, du hast ihn erobert!
Ist es wahr, daß er bei seiner letzten Abendgesellschaft fast eine
Stunde lang mit dir geplaudert hat?«
    Die junge Frau antwortete nicht; sie schien ihn gar nicht zu
hören; sie stand unbeweglich und stolz da unter den zudringlichen
Blicken des Herrn von Marsy. Dann hob sie langsam den

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