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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Kopf und sah
ihn an, seinen Gruß erwartend. Er kam heran, verbeugte sich, und
sie lächelte ihm sehr huldvoll zu, doch redeten sie kein Wort
miteinander. Der Graf kehrte in die Mitte
seiner Gruppe zurück, wo La Rouquette sehr laut sprach und ihn
jeden Augenblick »Seine Exzellenz« nannte.
    Allmählich hatte sich die Galerie doch gefüllt. Es waren an
hundert Menschen beisammen: hohe Beamte, Generäle, fremde
Staatsmänner, fünf Abgeordnete, drei Präfekten, zwei Maler, ein
Romanschriftsteller, zwei Akademiker, ungerechnet die
Schloßbeamten, Kammerherren, Adjutanten und Stallmeister. Beim
Glanze der Kronleuchter erhob sich das leichte Gesumme der Stimmen.
Die Vertrauten des Schlosses wandelten mit kurzen Schritten umher,
während die zum ersten Male Geladenen stille standen und sich
inmitten der Frauen kaum zu rühren wagten. Diese erste Stunde der
Verlegenheit, unter großenteils einander unbekannten Menschen, die
sich unversehens an der Tür des kaiserlichen Speisesaales
zusammenfanden, verlieh den Gesichtern einen Ausdruck
verdrießlicher Würde. Hin und wieder trat plötzlich Schweigen ein,
und die Köpfe wandten sich mit dem Ausdruck fragender Neugier um.
Die Ausstattung des geräumigen Gemaches im Stile des Kaiserreiches,
die steifbeinigen Pfeilertischchen, die viereckigen Sessel schienen
die Feierlichkeit der Stunde noch zu erhöhen.
    »Da ist er endlich!« flüsterte Clorinde.
    Rougon war eben eingetreten und blieb zwei Schritte von der Tür
einen Augenblick stehen. Er sah gemütlich aus, wie ein
schwerfälliger Spießbürger; sein Gesicht war schläfrig, sein Rücken
etwas gekrümmt. Mit einem Blicke gewahrte er den Hauch von
Feindseligkeit, der bei seiner Ankunft über gewisse Gruppen
hinwehte. Er jedoch schritt unbekümmert vorwärts, rechts und links
einige Händedrücke austeilend, bis er Herrn von Marsy
gegenüberstand. Sie begrüßten sich und schienen von der Begegnung
entzückt. Aug in Auge plauderten sie freundschaftlich als Feinde,
die einer des andern Kraft achten. Um sie
her war ein freier Raum entstanden. Die Frauen beobachteten ihre
geringsten Bewegungen, während die Männer, eine große Zurückhaltung
heuchelnd, die Augen abwandten und sich dabei heimlich
bedeutungsvolle Blicke zuwarfen. In den Ecken wurde geflüstert.
Welche heimliche Absicht mochte der Kaiser haben? Warum brachte er
so diese beiden Männer zusammen? Herr La Rouquette, ganz außer
Fassung, glaubte ein großes Ereignis zu wittern. Er fragte Herrn
von Plouguern, der ihm zum Spaß folgende Antwort gab:
    »Wer weiß: Rougon wird vielleicht Marsy aus dem Sattel werfen,
und man wird gut tun, sich an ihn zu halten … Wenn nur der
Kaiser nichts Schlimmes im Schilde führt! Zuweilen hat er solche
Anwandlungen … Vielleicht hat er sich auch nur das Vergnügen
machen wollen, sie zusammen zu sehen in der Hoffnung, daß sie sich
drollig gebärden werden.
    Da verstummte das Flüstern, eine große Bewegung ging durch den
Saal. Zwei Palastbeamte gingen von Gruppe zu Gruppe, halblaut
einige Worte murmelnd. Die Gäste, plötzlich ernst geworden, wandten
sich zur linksseitigen Tür und bildeten ein Spalier, die Herren auf
der einen, die Damen auf der andern Seite. Dicht an die Tür trat
Herr von Marsy, neben ihn Rougon; dann folgten die übrigen nach
Rang und Stand. So wartete man drei Minuten in tiefster Stille. Da
öffneten sich beide Türflügel. Der Kaiser im Frack, auf der Brust
das rote Band des Großordens, trat zuerst ein, hinter ihm der
Kammerherr vom Dienst, Herr von Combelot. Mit einem schwachen
Lächeln blieb er vor Marsy und Rougon stehen, drehte langsam seinen
langen Schnurrbart, den ganzen Körper wiegend, und flüsterte wie
verlegen:
    »Sagen Sie Frau Rougon, daß die Nachricht von ihrer Krankheit
uns mit tiefem Bedauern erfüllt hat … Wir hätten lebhaft gewünscht, sie mit Ihnen hier zu
sehen … Hoffentlich ist es nicht so schlimm, Erkältungen sind
jetzt häufig.«
    Damit ging er weiter. Nach zwei Schritten reichte er einem
General die Hand und fragte ihn nach dem Wohlergehen seines Sohnes,
den er »meinen kleinen Freund Gaston« nannte; Gaston stand im Alter
des kaiserlichen Prinzen, war aber schon viel kräftiger. Dann ging
er vorwärts, vom Spalier mit tiefen Verbeugungen begrüßt. Endlich
stellte ganz am Ende der Kette Herr von Combelot einen Akademiker
vor, der zum erstenmal bei Hofe war, und der Kaiser sprach vom
neuesten Werk des Gelehrten, in dem er einige Seiten mit dem
größten Vergnügen gelesen

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