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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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der anderen
Seite des Tisches neben dem Grafen saß und sehr vertraulich mit ihm
plauderte. Rougon begnügte sich, verdrießlich die Achseln zu
zucken, und stellte sich, als sehe er nicht hinüber. Aber trotz
seiner Bemühungen, gleichgültig zu
erscheinen, blickte er immer wieder nach Clorinde hin, beobachtete
die geringste Bewegung ihrer Hände, ihrer Lippen, als ob er ihr die
Worte vom Munde lesen wolle. Frau von Combelot, die sich so nahe
wie möglich zum Kaiser gesetzt hatte, beugte sich zu Rougon hinüber
und sagte:
    »Herr Rougon, erinnern Sie sich noch jenes Unfalles? Sie haben
mir damals einen Wagen verschafft. Ein ganzer Saum meines Kleides
wurde weggerissen.«
    Sie suchte, sich damit interessant zu machen, daß eines Tages
ihr Wagen vom Landauer eines russischen Fürsten fast mitten
durchgefahren wurde. Rougon mußte antworten, und ein Weilchen
redete man an der Mitte der Tafel von diesem Gegenstande. Man
erwähnte allerlei Unfälle, unter anderen, daß letzte Woche eine
Parfümeriehändlerin aus der Panoramapassage vom Pferde gestürzt sei
und dabei einen Arm gebrochen habe. Der Kaiserin entfuhr ein Ausruf
des Bedauerns, der Kaiser sagte nichts, er hörte nur nachdenklich
zu und aß langsam.
    »Wo ist denn Delestang geblieben?« fragte Rougon seinerseits
Herrn von Plouguern.
    Sie suchten ihn und entdeckten ihn endlich am Ende der Tafel
neben Herrn von Combelot, gleich allen seinen Nachbarn aufmerksam
sehr freien Spaßen zuhörend, die von dem lauten Gespräch der
übrigen gedeckt wurden. Herr La Rouquette hatte die drollige
Geschichte einer Wäscherin aus seiner Heimat angefangen, der Ritter
Rusconi gab persönliche Bemerkungen über die Pariserinnen zum
Besten, einer der beiden Maler tauschte mit dem Romanschriftsteller
sehr schonungslose Worte aus über die zu fetten oder zu mageren
Arme der Damen, die ihren Spott herausforderten. Rougon aber
schleuderte wütende Blicke auf Clorinde, die zu dem Grafen immer
liebenswürdiger wurde, und auf ihren Einfaltspinsel von Gatten, der
wie blind auf seinem Platze saß und
würdevoll zu den etwas starken Dingen lächelte, die er zu hören
bekam.
    »Warum hat er sich nicht zu uns gesetzt?« murrte er.
    »Nun, ich sehe keinen Grund, ihn zu beklagen«, versetzte Herr
von Plouguern. »Man scheint sich an jenem Ende der Tafel gut zu
unterhalten.«
    Dann flüsterte er ihm ins Ohr:
    »Ich glaube, sie sind im Zuge, Frau von Llorentz zu verlästern.
Haben Sie bemerkt, wie tief ihr Kleid ausgeschnitten ist? …
Ich fürchte, der linke Busen schlüpft heraus.
    Er beugte sich vor, um Frau von Llorentz besser ins Auge zu
fassen – sie saß auf derselben Seite der Tafel, etwa fünf Plätze
von ihm entfernt –, wurde aber plötzlich ernst. Die Dame, eine
etwas starke, hübsche Blonde, hatte in diesem Augenblick ein
schreckliches Aussehen; sie war ganz bleich vor Ingrimm, ihre
blauen Augen schimmerten schwärzlich und hingen unverwandt an Herrn
von Marsy und Clorinde. Er brummte zwischen den Zähnen so leise,
daß selbst Rougon es nicht vernahm:
    »Teufel, das geht schief!«
    Die Musik spielte beständig in der Ferne, sie schien von der
Decke herabzurieseln. Bei gewissen Klängen der Trompeten hoben die
Tischgenossen die Köpfe und suchten, sich auf die Melodie zu
besinnen, dann hörten sie gar nichts mehr, die weichen Töne der
Klarinetten wurden vom Klingen des Silbergeschirrs übertönt, das in
ungeheuren Stößen herbeigeschleppt wurde. Die großen Schüsseln
klangen zuweilen dazwischen wie Zymbeln. Rings um die Tafel bewegte
sich wortlos ein Heer von Bedienten. Die Türsteher in Frack und
hellblauen Beinkleidern, mit Degen und Dreispitz; die Diener mit
gepudertem Haar in großer grüner Livree, mit Goldtressen besetzt.
In genauer Ordnung kamen die Gerichte an
und wurden die Weine herumgereicht, die Vorgesetzten und Aufseher,
der Tafelmeister, der Verwalter des Silberzeuges überwachten dies
verwickelte Geschäft, diese anscheinende Verwirrung, worin jedoch
die Rolle des letzten Lakaien von vornherein geregelt war. Das
kaiserliche Paar bedienten die Leibkammerdiener Ihrer Majestäten
mit gemessener Würde.
    Als die Braten kamen und die schweren Burgunder Weine
eingeschenkt wurden, wuchs der Lärm. Gegenwärtig schwatzte Herr La
Rouquette über Küchenfragen und erörterte, ob das am Spieß
gebratene Rehbockviertel, das eben aufgetragen wurde, gehörig gar
sei. Bis dahin hatte es Crecisuppe, blaugesottenen Lachs,
Rindslende mit Schalottenbrühe, gebratene Hähnchen,

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