Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
in die Nacht
hinaus. Herr Beulin d'Orchère setzte in einer Ecke seinen Vortrag
über die Ehescheidung fort. Der Romanschriftsteller, der es
»tödlich langweilig« fand, fragte einen Akademiker ganz leise, ob
man nicht zu Bett gehen könne. Inzwischen ging der Kaiser von Zeit
zu Zeit durch die Galerie schleppfüßig mit einer Zigarette im
Munde.
    »Es war unmöglich, für heute abend irgend etwas zu
veranstalten«, erklärte Herr von Cambelot der kleinen Gruppe, die
Rougon und seine Freunde bildeten. »Morgen nach der Hetzjagd wird
bei Fackelschein das Wild zur Strecke gebracht. Übermorgen werden
die Schauspieler des ›Französischen Lustspielhauses‹ die
›Prozeßkrämer‹ aufführen. Man spricht auch von lebenden Bildern und
einem Bilderrätsel, die zu Ende der Woche dargestellt werden
sollen.«
    Darauf ging er zu den Einzelheiten über. Seine Frau werde
mitwirken, und die Proben sollten demnächst beginnen. Dann erzählte er weitläufig von einem Spaziergang,
den der Hof vor zwei Tagen zu dem »drehbaren Stein« unternommen,
einem Druidenfelsen, um den her man Ausgrabungen veranstaltete. Die
Kaiserin hatte darauf bestanden, in die Höhle hinabzusteigen.
    »Denken Sie sich,« fuhr der Kammerherr mit bewegter Stimme fort,
»die Arbeiter hatten das Glück, vor Ihrer Majestät zwei Schädel
bloßzulegen. Niemand hätte es erwartet, und alle waren äußerst
befriedigt.«
    Er strich seinen prächtigen schwarzen Bart, der ihm bei dem
schönen Geschlechte zu vielen Erfolgen verhalf; sein hübsches
Gesicht hatte einen Zug einfältiger Süßlichkeit, und aus übergroßer
Höflichkeit lispelte er beim Sprechen.
    »Aber«, nahm Clorinde das Wort, »man hat mir versichert, die
Schauspieler vom Operettentheater würden uns das neue Stück
aufführen … Die Schauspielerinnen haben wundervolle Toiletten.
Und man lacht sich krank dabei, scheint es.«
    Herr von Combelot murmelte mit zusammengekniffenen Lippen:
    »Ja, ja, vorübergehend ist davon die Rede gewesen.«
    »Nun, und? … «
    »Man ist davon abgekommen, weil die Kaiserin dergleichen Stücke
nicht liebt.«
    Da wurde eine lebhafte Bewegung im Saale bemerkbar; die Herren
waren aus dem Rauchzimmer zurückgekehrt. Der Kaiser wollte seine
Partie Scheibespiel beginnen; Frau von Combelot, die sich auf ihre
Stärke in diesem Spiele etwas zugute tat, hatte ihn gebeten, eine
Scharte auswetzen zu dürfen; sie erinnere sich, im vorigen Jahre
von ihm besiegt worden zu sein, und bot sich ihm immer mit so
demütiger Zärtlichkeit, mit so bezauberndem Lächeln an,
daß Seine Majestät unbehaglich,
eingeschüchtert, oft die Augen abwenden mußte.
    Das Spiel begann unter den Augen einer großen Anzahl von
Zuschauern, die im Kreise herumstanden und die Würfe beurteilten.
Die junge Frau warf den ersten Stein auf die große, mit grünem
Tuche bedeckte Tafel und traf dicht neben das Ziel, das ein weißer
Punkt bezeichnete. Der Kaiser aber, noch geschickter, warf ihren
Stein beiseite und setzte den seinen an dessen Stelle. Man
klatschte leise Beifall. Dennoch gewann Frau von Combelot.
    »Um was ging das Spiel, Majestät?« fragte sie kühn.
    Der Kaiser lächelte, ohne zu antworten. Dann wandte er sich um
und fragte:
    »Herr Rougon, wollen Sie mit mir spielen?«
    Rougon verbeugte sich und nahm die Wurfsteine, wobei er von
seiner Ungeschicklichkeit sprach.
    Unter den Zuschauern hatte sich ein Murmeln erhoben. Wurde
Rougon wirklich wieder in Gnaden aufgenommen? Die stumme
Feindseligkeit, die ihn seit seiner Ankunft umgab, schmolz dahin,
Köpfe reckten sich vor, um seine Würfe beifällig zu verfolgen. Herr
La Rouquette führte noch verlegener als vor dem Essen seine
Schwester beiseite, um zu erfahren, woran man sich zu halten habe;
sie aber konnte ihm offenbar keine befriedigende Auskunft geben,
denn er kehrte mit der Miene größter Ungewißheit zurück.
    »Sehr gut!« murmelte Clorinde bei einem äußerst geschickten
Wurfe Rougons.
    Dabei warf sie den Freunden des großen Mannes, die in ihrer Nähe
standen, bedeutungsvolle Blicke zu. Der Augenblick war geeignet,
ihn in des Kaisers Gunst zu fördern, und sie führte den Angriff.
Einen Augenblick regnete es Lobeserhebungen auf ihn.
    »Zum Teufel!« entfuhr es Delestang, der
unter den befehlenden Augen seiner Frau keinen andern Ausdruck
fand.
    »Und Sie behaupteten, Sie seien ungeschickt!« rief der Ritter
Rusconi hingerissen. »Ah, Majestät, spielen Sie nicht um Frankreich
mit ihm!«
    »Aber Herr Rougon würde gewiß auch für

Weitere Kostenlose Bücher