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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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vernehmlich, während die Türsteher und
die Diener, ernst an die Wand gelehnt,
allein in diesem Durcheinander von Leuten, die gut gegessen hatten,
ihre Haltung bewahrten. Dann ordnete der Zug sich aufs neue. Ihre
Majestäten an der Spitze, dahinter paarweise die Gäste, die langen
Schleppen getrennt, so schritten sie mit etwas abgespannter
Feierlichkeit durch den Gardensaal zurück. Hinter ihnen drein
erdröhnten im hellen Glänze der Kronleuchter über dem noch warmen
Durcheinander der Tafel die Paukenschläge der Militärmusik, die
eben den Schluß einer Quadrille spielte.
    Der Kaffee wurde in der Wandkartengalerie eingenommen. Ein
Schloßpräfekt bot dem Kaiser die Tasse auf purpurner Platte.
Mehrere Gäste hatten sich inzwischen schon in das Rauchzimmer
begeben. Die Kaiserin saß mit einigen Damen im sogenannten
Familiensalon links von der Galerie. Man flüsterte sich ins Ohr,
daß sie mit dem sonderbaren Benehmen Clorindens während des Mahles
sehr unzufrieden sei. Sie bemühte sich, bei Hofe während des
Aufenthaltes in Compiègne eine bürgerliche Wohlanständigkeit
einzuführen, eine Vorliebe für unschuldige Spiele und ländliche
Vergnügungen. Sie hatte einen persönlichen Haß gegen gewisse
Ausschreitungen.
    Herr von Plouguern hatte Clorinde beiseitegenommen, um ihr den
Text zu lesen. Sein eigentlicher Zweck aber war, sie in die Beichte
zu nehmen. Sie jedoch stellte sich sehr überrascht. Wie konnte man
behaupten, daß sie sich mit dem Grafen Marsy kompromittiert habe?
Sie hatten miteinander gescherzt, weiter nichts.
    »Hier, sieh!« flüsterte der alte Senator.
    Damit stieß er die halboffene Tür eines Nebenzimmers auf und
zeigte ihr Frau von Llorentz, die Herrn von Marsy einen
schrecklichen Auftritt machte. Sie hatte die beiden dort eintreten
sehen. Die schöne Blonde machte ganz außer sich ihrem Zorne in sehr derben Ausdrücken Luft,
setzte alle Rücksicht beiseite und dachte nicht daran, daß ihr
Toben einen gräßlichen Skandal herbeiführen könne. Der Graf redete
mit etwas bleichem, doch lächelndem Gesicht leise und hastig auf
sie ein, um sie zu beruhigen. Schon hatte man den Lärm in der
Wandkartengalerie vernommen, und einige Gäste entfernten sich
vorsichtig aus der Nähe des Zimmers.
    »Du willst sie also dahin bringen, daß sie ihre famosen Briefe
an die vier Ecken des Schlosses anschlägt?« fragte Herr von
Plouguern, der jungen Frau den Arm reichend und sie
hinwegführend.
    »Das wäre sehr ergötzlich!« versetzte sie lachend.
    Darauf begann er, ihren nackten Arm mit dem Feuer eines jungen
Anbeters drückend, ihr wieder Moral zu predigen. Solche
Extravaganzen müsse man Frau von Combelot überlassen. Er
versicherte, daß Ihre Majestät gegen sie sehr aufgebracht sei.
Clorinde, welche die Kaiserin vergötterte, war hierüber sehr
erstaunt. Womit hatte sie Mißfallen erregen können? Als sie das
Zimmer der Kaiserin erreicht hatten, blieben sie einen Augenblick
vor der halboffenen Türe stehen. Ein ganzer Kreis von Damen saß um
einen großen Tisch; in der Mitte die Kaiserin, die sich geduldig
bemühte, ihnen ein Kinderspiel beizubringen. Einige Herren standen
hinter den Sesseln und verfolgten den Unterricht mit großer
Aufmerksamkeit.
    Am Ende der Galerie schalt unterdessen Rougon Delestang aus. Er
wagte nicht, dessen Frau zu erwähnen; er zankte, weil jener sich
mit einer Wohnung begnügt hatte, die auf den Schloßhof hinaus lag.
und wollte ihn dazu zwingen, eine nach dem Park hinaus zu
verlangen. Aber da nahte Clorinde am Arme des Herrn von Plouguern
und sagte laut, um gehört zu werden:
    »Laßt mich doch in Ruhe mit eurem Marsy! Ich
werde heute abend nicht mehr mit ihm sprechen. Genügt das?«
    Diese Worte beruhigten alle. Eben trat Herr von Marsy mit sehr
vergnügtem Gesicht aus dem kleinen Zimmer, er scherzte einen
Augenblick mit dem Ritter Rusconi und begab sich dann in den Salon
der Kaiserin, die man samt den anderen Damen bald über eine von ihm
erzählte Geschichte herzhaft lachen hörte. Nach zehn Minuten
erschien auch Frau von Llorentz; sie sah abgespannt aus, ihre Hände
zitterten noch; obgleich sie ihre geringsten Bewegungen von
neugierigen Blicken verfolgt sah, blieb sie dennoch tapfer stehen
und plauderte mit diesem und jenem.
    Eine respektvolle Langeweile verursachte vielfaches Gähnen, das
hinter den Taschentüchern unterdrückt wurde. Der Abend war der
peinliche Teil des Tages. Die Neugeladenen wußten nicht, was sie
anfangen sollten, traten an die Fenster und blickten

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