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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Kammerherr drehte sie mit dem ernstesten Gesichte von
der Welt.
    »Herr Rougon,« äußerte der Kaiser, »man hat mir von Ihrer Arbeit
berichtet, worin Sie die englische Verfassung mit der unsrigen
vergleichen wollen … Ich könnte Ihnen vielleicht weiteren
Stoff dazu liefern.«
    »Majestät sind zu gütig … Aber ich habe einen andern,
großen Plan.«
    Da Rougon den Kaiser so wohlgeneigt sah, wollte er
die Gelegenheit benutzen und setzte sein
Vorhaben des weiteren auseinander: ein Gebiet in den Landes,
mehrere Geviertmeilen groß, urbar zu machen, eine Stadt zu gründen,
kurz, ein neues Land zu erobern. Während er so redete, erhob der
Kaiser die trüben Augen, und ein matter Schimmer flammte darin auf.
Doch unterbrach er ihn nicht, nickte nur hin und wieder und sagte
erst, als jener geendet hatte:
    »Ohne Zweifel, man könnte es versuchen … «
    Dann wandte er sich zu Delestang, der mit seiner Frau und Herrn
von Plouguern in der Nähe stand:
    »Herr Delestang, sagen Sie uns Ihre Meinung! … Ich habe
Ihre Musterwirtschaft zu La Chamade von meinem Besuche her in
bester Erinnerung.«
    Der Gerufene kam, doch mußte der Kreis, der sich um den Kaiser
gebildet hatte, in die Nische zurückweichen. Frau von Combelot, die
eben halb bewußtlos in Herrn La Rouquettes Armen vorüberwalzte,
hatte mit ihrer langen Schleppe die Seidenstrümpfe des Kaisers
gestreift, ja fast umwickelt. Herr von Combelot ergötzte sich an
seiner Musik, er drehte die Kurbel rascher und wiegte gemessen sein
schönes, wohlfrisiertes Haupt; zuweilen warf er einen Blick auf den
Kasten, wie überrascht von den feierlichen Tönen, die gewisse
Kurbeldrehungen hervorriefen.
    »Ich habe das Glück gehabt, in diesem Jahre durch eine neue
Kreuzung prächtige Kälber zu erzielen«, erklärte Delestang. »Leider
wurden die Pferche eben ausgebessert, als Eure Majestät La Chamade
besuchten.«
    Der Kaiser redete langsam, einsilbig über Landwirtschaft,
Viehzucht, Mästung. Seit seinem Besuche in La Chamade schätzte er
Delestang sehr hoch und lobte ihn besonders deshalb, weil er den
Versuch gemacht hatte, seine Leute in eine Art Verband zu bringen
mit einem Anteil am Gewinn und einer Altersversorgungskasse. Wenn
sie miteinander sprachen, hatten sie viele
gemeinsame Gedanken und menschenfreundliche Pläne, worüber sie sich
andeutungsweise verständigten.
    »Hat Herr Rougon Ihnen seinen Plan mitgeteilt?« fragte der
Kaiser.
    »Ein herrlicher Plan!« erwiderte Delestang. »Man könnte Versuche
im großen machen … «
    Er zeigte sich wahrhaftig begeistert. Die Veredlung der
Schweinerassen war eben sein Lieblingsgegenstand. Die schönen
Schläge stürben in Frankreich aus. Dann ließ er merken, daß er ein
neues Verfahren zur Anlage künstlicher Wiesen studiere, doch
bedürfe er dazu sehr ausgedehnter Landstrecken. Falls Rougons Plan
gelingen sollte, werde er sich dorthin begeben, um sein Verfahren
anzuwenden. Plötzlich hielt er inne: er hatte bemerkt, daß seine
Frau ihn starr anblickte. Seitdem er sich für Rougons Plan erklärt
hatte, biß sie sich auf die Lippen, ganz bleich vor Wut.
    »Mein Freund!« flüsterte sie, auf das Piano hinweisend.
    Herr von Combelot spreizte seine steifen Finger und ballte sie
dann sachte wieder zusammen, um sich zu erholen. Er wollte eben mit
dem ergebenen Lächeln eines Märtyrers eine Polka beginnen, als
Delestang kam und sich erbot, ihn abzulösen. Er nahm es höflich an,
als ob er einen Ehrenplatz abtrete. Darauf fing Delestang an, die
Polka herabzuleiern. Aber das war etwas ganz anderes; er hatte
nicht das gleichmäßige Spiel, die geschmeidige und doch markige
Hand des Kammerherrn.
    Rougon wollte jedoch vom Kaiser ein entscheidendes Wort
vernehmen. Dieser, von dem Plane sehr verlockt, fragte ihn nunmehr,
ob er dort nicht große Arbeiterstädte errichten wolle; es werde
leicht sein, jedem Hausvater ein Stückchen Land, freien
Wasserverbrauch und landwirtschaftliche Geräte zu bewilligen. Er
versprach, ihm sogar Pläne mitzuteilen,
den Grundriß einer dieser Städte, den er selbst entworfen, mit
lauter gleichmäßigen Häusern, worin alle Bedürfnisse vorgesehen
waren.
    »Gewiß, ich stimme ganz mit Eurer Majestät überein«, versetzte
Rougon, beunruhigt von dem nebelhaften Sozialismus des Herrschers.
»Wir könnten ohne Eure Majestät nichts tun … Es wird
zweifellos in einigen Gemeinden das Enteignungsverfahren
angewendet, der Grundsatz des Gemeinwohles ausgesprochen, werden
müssen. Schließlich werde ich an die

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