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Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Titel: Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianluigi Nuzzi
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sind,
setzt sich dabei niemand auseinander. Möglicherweise wäre es zu brisant, Dinge
näher unter die Lupe zu nehmen, wie sie etwa in der Urteilsbegründung des
römischen Appellationsgerichts im Zusammenhang mit dem Mordfall Roberto Calvi
im Sommer 2010
angesprochen werden: »Die Cosa Nostra benutzte in ihren verschiedensten
Gliederungen den Banco Ambrosiano und das IOR
für massive Geldwaschaktionen.« Damals stand jener Marcinkus an der Spitze des IOR, der den Bauarbeitern so gern Wasser
brachte. Erst jetzt hat sich der Heilige Stuhl in später Einsicht dazu
entschlossen, Geldwäsche künftig juristisch zu verfolgen. Tatsächlich war
dieses Vergehen nach den Regeln des Vatikans bis zum April 2010 nicht strafbar.
    »Im Laufe der Jahre habe ich mich mit Kollegen und Freunden
zusammengesetzt«, fährt der Informant fort, »die hier im Vatikan leben oder
arbeiten. Wir haben uns mit den Dingen beschäftigt und dann rasch gemerkt, dass
uns die gleichen Vorgänge stutzig machten, dass wir die gleiche Kritik übten,
aber auch die gleiche Frustration darüber empfanden, den vielen Vergehen,
persönlichen Interessen und verschwiegenen Wahrheiten machtlos
gegenüberzustehen. Wir sind eine Gruppe von Leuten, die das Unrecht
dokumentieren und handeln wollen: jemand von der APSA
[Administratio Patrimonii Sedis Apostolicae, Güterverwaltung das Heiligen
Stuhls], jemand vom Governatorat, das Auftragsvergabe und Liefereingänge
verwaltet, jemand vom Staatssekretariat und so weiter und so fort – bis hin zur
vatikanischen Gendarmerie. Niemand kennt alle Beteiligten. So habe ich wieder
damit angefangen, Dokumente zu kopieren, die in Zusammenhang stehen mit der
Vatikanbank und ihrem Chef Ettore Gotti Tedeschi, [5] mit den Skandalen
um die Legionäre Christi, mit den Unregelmäßigkeiten der Comunione e
Liberazione und mit der Verschwörung gegen Erzbischof Carlo Maria Viganò, den
man verjagt hat, weil er im Begriff stand, die ganze Clique auffliegen zu
lassen […] Ich denke, dass Ratzingers Reformvorhaben deutlich schneller
verwirklicht werden kann, wenn diese Papiere veröffentlicht sind. Einsicht ist
der erste Schritt zur Besserung. Und es wird diejenigen ermutigen, die still
und einsam darunter leiden, was in der römischen Kurie vor sich geht, ohne
dagegen einschreiten zu können. Die Ohnmacht ist das Gefühl, das am weitesten
verbreitet ist: Wir können nichts tun, weil uns die Macht fehlt. Wir können
nichts tun, weil gewisse Tatsachen nun einmal zum Vatikan gehören. Und weil
vermutlich alle befürchten, dass es einem Schuldeingeständnis gleichkäme, wenn
man an diese Dinge rührte.«
    Innerhalb weniger Wochen haben wir uns noch mehrere Male getroffen.
    Hitzige Debatten als Konsequenz
    Um falsche Schritte zu vermeiden, entscheiden wir
gemeinsam das Vorgehen. Vor allem brauchen wir einen Decknamen. Aber welchen?
»Maria«, sagt der Informant und lächelt. Auch ich muss lächeln. Ich denke:
»Maria, die unverdächtige Postbotin.« Mit »Maria« wird es keine Kommunikation
über Telefon, E-Mail oder Briefe geben. Die Übergabe der in Aktenmappen
gesammelten Dokumente erfolgt zu festgesetzten Zeiten. Die Treffpunkte sind im
Voraus vereinbart. Weitere operative Details können zum Schutz von »Maria« und
all ihrer Kontaktpersonen hier nicht preisgegeben werden. Sie bleiben ein
Geheimnis zwischen uns.
    Für die Situation, die nach der Veröffentlichung dieses Buches
eintreten wird, gibt es keinen Präzedenzfall. Schon jetzt aber ist klar, wie aufgewühlt
die Stimmung sein wird. Erste Folgen wurden bereits wenige Wochen nach meinen
Treffen mit »Maria« sichtbar. Ende Januar 2012 beschäftigte ich mich
in einer Folge der Fernsehsendung Gli Intoccabili (»Die Unantastbaren«) auf dem Kanal LA7 mit
den Vorfällen um Erzbischof Carlo Maria Viganò. Als Generalsekretär des
Governatorats war er damit beauftragt worden, den Haushalt zu sanieren und
Ordnung in die Auftrags- und Lieferbücher zu bringen. Dann jedoch – so lautet
seine Version der Ereignisse – fiel er einer Verschwörung zum Opfer, in deren
Folge er schließlich als Apostolischer Nuntius nach Washington entsandt wurde.
Die Geschichte ist unglaublich und geht um die Welt. Nur wenige Tage später
erscheint eine ganze Reihe von Artikeln, etwa im Libero oder Il Fatto Quotidiano , in denen interne Dokumente
des Heiligen Stuhls publiziert werden. Nie zuvor waren so viele Papiere aus dem
Vatikan an die Öffentlichkeit gelangt. Weitere sollten folgen. Und viele von
ihnen

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