Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
sind in diesem Buch zu finden.
Ausgehend vom Presseamt des Heiligen Stuhls versuchen Pater Federico
Lombardi und mit ihm alle möglichen Vatikanexperten, Kommentatoren und
Kolumnisten, aber auch Kardinäle und andere geistliche Würdenträger zu
verstehen, was da vor sich geht. Man spricht von »Raben« und »Maulwürfen«, auch
von »Schlamm«, nur um die Wahrheit zu verschleiern, die ans Licht kommt. Erste
Analysen deuten auf Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Purpurträgern
hin, auf Kämpfe zwischen einzelnen Seilschaften, auf Spaltungen zwischen Gruppierungen,
die Bertone treu ergeben sind, und solchen, die dem Vorsitzenden der
Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, nahestehen. Es
handelt sich um zerstrittene Gruppen, die voneinander abweichende Vorstellungen
von der katholischen Lehre und den Beziehungen zwischen Kirche und Politik
haben, angefangen bei der italienischen. Des Weiteren gibt es die »Siriani«,
die sich auf den 1989
verstorbenen Genueser Kardinal Giuseppe Siri berufen. Zu dieser Richtung zählen
auch Persönlichkeiten wie etwa Kardinal Mauro Piacenza, der als künftiger
Staatssekretär gehandelt wird, Bischof Ettore Balestrero, Unterstaatssekretär
der Sektion für die Beziehungen mit den Staaten im Staatssekretariat, sowie
Francesco Moraglia, der Patriarch von Venedig. In Italien, so munkelt man,
streben die Siriani ein Mitte-rechts-Bündnis an, ohne Berlusconi, aber mit der
kritischen Mitte um den Partito Democratico (PD). Dann gibt es eine
Gruppierung, die sich auf Kardinal Bagnasco beruft und Katholiken in der
Politik grundsätzlich an vorderster Front sehen möchte, mit
parteiübergreifender Präsenz. Und schließlich ist da der Monolith Tarcisio
Bertone, während der Ära Berlusconi über Jahre hinweg linientreuer Verbündeter
der katholischen Seilschaft, vor allem von Gianni Letta, dem einflussreichen
Staatssekretär im Palazzo Chigi, dem römischen Regierungssitz.
Bis zur letzten Akte werden so Grabenkämpfe erkennbar, die bislang
unsichtbar waren. Wer aber, wie Pater Lombardi, von einem »Vatileaks-Skandal«
in den eigenen Reihen spricht, gesteht damit – ohne sich dessen bewusst zu sein – ein, dass es in Vergangenheit und Gegenwart immer wieder Gefechte und
Seilschaften gegeben hat. Zugleich offenbart er damit das ganze Elend der
Kurienmitglieder, deren menschliche Schwächen nur zu deutlich werden.
Das Schlimmste daran ist, dass die reine, einfache und zugleich
erschütternde Wahrheit kein Gehör findet. Und auch nicht finden soll.
Angesichts der Verbohrtheit jener Führungskräfte, die für die Verwaltung des
Vatikans verantwortlich sind, stehen wir vor einem gewaltigen Erdrutsch. Die
Machenschaften und Machtspiele dieser Männer haben eine Abwehrreaktion
ausgelöst, die immer heftiger wird. Es sind die kleinen Sandkörner, die eine
ganze durch ineinandergreifende Interessen scheinbar unzerstörbar gewordene
Maschinerie zum Stillstand bringen können.
Um herauszufinden, wie die Dokumente an die Öffentlichkeit gelangt
sind, hat Benedikt XVI. eine
Untersuchungskommission eingesetzt. Sie steht unter der Leitung des
emeritierten Kurienkardinals Julián Herranz, eines ausgewiesenen Juristen, der
vor allem durch sein Engagement im Opus Dei bekannt geworden ist, war er doch 22 Jahre lang Assistent des Ordensgründers Josemaría Escrivá de Balaguer. Am 25. April
2012
setzte das Staatssekretariat alle Priester und Laien davon in Kenntnis, dass
diese Kommission die »jüngste Verbreitung von dem Amtsgeheimnis unterliegenden
Dokumenten in Fernsehen, Presse und anderen Medien vollständig aufdecken wird«.
Herranz wird von anderen Kardinälen im Ruhestand unterstützt, die jahrelang im
Vatikan tätig gewesen sind: von Josef Tomko, dem ehemaligen Präfekten der
Kongregation für die Evangelisierung der Völker, und von Salvatore De Giorgi,
dem Alterzbischof von Palermo. Die Kommission legt nach der »Zwiebeltechnik«
Listen mit Daten an, um so Amt für Amt die potenziell Verantwortlichen für den
Dokumentenverlust ausfindig zu machen. Sie soll auch Zeugen und Verdächtige
befragen, wobei sie auf die Mithilfe von Gendarmerie und Staatssekretariat
zurückgreift. »Mit derselben Sorgfalt sollten sie auch bei anderen
Angelegenheiten vorgehen, etwa im Fall Orlandi«, kommentiert dies »Maria«.
Boffos geheime Briefe an den Papst
Methode Boffo, Copyright Vatikan
Wenn ich mich mit meinem Informanten treffe, machen wir
jedes Mal eine neue Verabredung aus – mit
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