Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
römischem
Boden, gezielte Ermittlungen des Vatikans in Gang setzt:
Der
Unterzeichnete S.T. hat im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu mutmaßlichen
Verstößen […] beim Abhören der akustischen Raumüberwachung Folgendes in
Erfahrung gebracht:
Gestern, am 21. April 2008, um 10.00 Uhr wurde
Ing. Pier Carlo Cuscianna während eines auf »laut« gestellten Telefongesprächs
mit seiner Frau von dieser in Kenntnis gesetzt, dass ein Klempner in ihre
Wohnung gekommen war. Der Handwerker, dessen Identität und Firma nicht
ermittelt werden konnten, sei von Ing. Cuscianna beauftragt worden, im
Badezimmer seiner Wohnung Sanitäreinrichtungen zu installieren. Der Vorfall
wurde sofort A.C. gemeldet, der Anweisung gab, C.D. solle sich vor das Haus des
Direktors begeben, um den betreffenden Handwerker zu fotografieren, während der
Unterzeichnete die akustische Raumüberwachung fortsetzte.
Um 15.00 Uhr
begab sich der Unterzeichnete vor das Haus des Leiters der Technischen Dienste
zu C.D., der sich seit 10.30 Uhr dort aufgehalten hatte und dem es gelungen
war, den mutmaßlichen Handwerker zu fotografieren, welcher dann zehn Minuten
später die betreffende Wohnung endgültig verließ. In der Hoffnung, dass er mit
dem eigenen Wagen zur Arbeit gekommen sei, folgten ihm die Unterzeichner, um
das Kennzeichen aufzuschreiben und damit die Identität des Fahrzeughalters zu
ermitteln, doch auf der Piazza Ungheria bestieg dieser die Straßenbahn Nr. 19 und verschwand. Abzüge der
gemachten Fotos liegen bei. So viel zu Ihrer Kenntnisnahme. [2]
Aufschlussreich an dieser Geschichte, die an sich nur von
mäßigem Interesse ist und sich anhand der verfügbaren Unterlagen ohnehin nicht
vollständig rekonstruieren lässt, ist die Tatsache, dass im Vatikan Leute
arbeiten, die Nachforschungen auf italienischem Boden betreiben und
italienische Staatsbürger beschatten. Und nicht nur das. Letzteren wurde
aufgelauert und sie wurden fotografiert, als wäre es die normalste Sache der
Welt.
Es wäre interessant zu erfahren, ob hierfür Genehmigungen erteilt
wurden, und falls ja, welcher Art, von wem und zu welchem Zweck. Doch es ist
höchst unwahrscheinlich, dass italienische Behörden irgendjemandem offiziell
gestattet haben, solchen Tätigkeiten nachzugehen.
Um die Sache besser beurteilen zu können, ist es vielleicht
hilfreich, wenn man sich andere Fälle in den belasteten rechtlichen Beziehungen
zwischen Italien und der Vatikanstadt in Erinnerung ruft. 1987 wurden gegen Erzbischof
Marcinkus und seine Mitarbeiter Luigi Mennini und Pellegrino de Strobel im
Zusammenhang mit dem Bankrott von Roberto Calvis Banco Ambrosiano Haftbefehle
erlassen, aber die italienische Polizei konnte die drei nicht festnehmen, da
sie den Vatikan nicht verließen. Und sie kamen so lange nicht heraus, bis der
Kassationsgerichtshof die Haftbefehle aufhob. 1996 schickte der damalige
»Promotor iustitiae« (eine Art Staatsanwalt) des Vatikans Carlo Tricerri die
Gendarmerie los, um die Wohnung eines Geistlichen im römischen Stadtteil Borgo
Pio hinter dem Vatikan zu durchsuchen. Auch in diesem Fall wurde nicht bekannt,
ob es dafür eine Genehmigung gab und welcher Art diese war. [3]
1998
wurden der Kommandant der Schweizergarde Alois Estermann, seine Frau Gladys Meza
Romero und der Vizekorporal Cédric Tornay erschossen. Laut offizieller
Darstellung soll Letzterer das Paar ermordet und anschließend Selbstmord
begangen haben. Die italienische Polizei hegte zwar Zweifel an der offiziellen
Version, konnte aber selbst keinerlei Untersuchungen durchführen, da das
Blutbad auf ausländischem Territorium stattgefunden hatte. Hier blieb die
Grenze unpassierbar.
In der Regel ermittelt jede Polizei nur auf eigenem Staatsgebiet.
Die päpstliche Schweizergarde und die Gendarmerie dürfen nur auf vatikanischem
Boden tätig werden. Wenige Monate nach der Blitzaktion im Stadtteil Parioli
verschickte die Präfektur des Päpstlichen Hauses ein internes Rundschreiben, um
an die Vorschriften hinsichtlich der zugewiesenen Dienste und Aufgaben zu
erinnern, da es zwischen Schweizergarde und Gendarmerie immer wieder zu
Spannungen und Eifersüchteleien gekommen war. Das in neun Abschnitte
gegliederte Dokument ist sehr präzis. Nach der Auflistung der allgemeinen
Zuständigkeiten ist unter Punkt 7 wörtlich, zum Teil fett gedruckt zu lesen:
Die
Bewachung, die Sicherheit und der Schutz des Heiligen Vaters auf vatikanischem Boden außerhalb des Apostolischen Palastes obliegt
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