Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
Verdienste.« [13] Der Titel brachte jedoch nicht immer Glück: Edelmänner Seiner Heiligkeit waren
auch Geschäftemacher wie Umberto Ortolani (Mitglied der Geheimloge P2) oder
in jüngerer Zeit Angelo Balducci, der ehemalige Präsident des Obersten Rates
für Öffentliche Bauaufträge. Doch als Benedikt XVI.
im Jahr 2006
sie alle zu einer Audienz empfing, stellte er klar: »Liebe Edelmänner, um
sicher voranzukommen, sind auf dem Schiff Petri viele verborgene Aufgaben zu
erfüllen, die gemeinsam mit anderen, augenfälligeren eine ungestörte Fahrt
ermöglichen.« Unter den »verborgenen Aufgaben« wäre es interessant, jene des
einzigen Politikers zu erfahren, der je zum Edelmann ernannt wurde: Gianni
Letta, auch weil die den Edelmännern üblicherweise anvertrauten Aufgaben
bescheidener Art sind. Denn offiziell beschränken sie sich darauf, die Gäste
des Papstes, die auf die Audienz beim Papst in den Repräsentationsräumen
warten, zu begrüßen und zu unterhalten. Tatsächlich ist das Prädikat
»Gentiluomo« ein angesehener Ehrentitel, weil er eine unauflösliche Bindung zu
den geistlichen Würdenträgern bezeugt. Nur in seltenen Fällen wird ein Edelmann
abgesetzt: Es ist eine Ernennung auf Lebenszeit. [14]
Solche Bindungen können bei Bedarf in dem großen Beziehungsgeflecht
für den Zusammenhalt der beiden Staaten durchaus von Nutzen sein, vor allem
wenn diejenigen, die für die Sicherheit der römischen Kurie zuständig sind,
gegen die Regeln verstoßen oder wenn jemand die Beziehungen zwischen Italien
und dem Vatikan verletzt. Wir konnten dokumentieren, wie das abläuft: Unter
großer Geheimhaltung und in Zivil verlässt man die Porta Sant’Anna und führt
auf italienischem Territorium mithilfe von Telefonüberwachung, Hausdurchsuchungen
und Beschattungen verdeckte Operationen durch. Davon handelt das nächste
Kapitel. Es kann aber auch vorkommen, dass aufzuklären ist, weshalb ein Pkw mit
SCV-Kennzeichen (Stato della Città del
Vaticano, Staat der Vatikanstadt) in einer Straße der Hauptstadt von
Pistolenkugeln durchsiebt wird.
Vatikanische Geheimagenten, Mission Italien
Beschattungen im Stadtteil Parioli
Nicht immer werden die Grenzen zwischen Italien und dem
Vatikan respektiert. Offiziell kann in keinem Land der Welt die Polizei eines
ausländischen Staates ohne Sondererlaubnis die Grenzen überschreiten und
Ermittlungen anstellen. Kein internationales Abkommen sieht so etwas vor, es
wäre ein Verstoß gegen die Rechte und die Souveränität eines Staates. In
Einzelfällen kann es durchaus zur Zusammenarbeit zwischen den Ermittlern
verschiedener Länder kommen oder zu gezielten Absprachen zwecks gemeinsamer
Operationen wie in den 90er-Jahren zwischen Italien und Albanien im Kampf
gegen Menschenhandel und illegale Einwanderung. In keinem Fall aber sind nicht
abgestimmte, »verdeckte« Operationen wie die Entführung von Abu Omar 2003 in
Mailand zulässig; die CIA-Agenten, die den Imam einer Moschee in Mailand nach
Ägypten verschleppt hatten, wurden schließlich vor einem Mailänder Gericht
angeklagt. Die Lateranverträge und die Abkommen, die die Beziehungen zwischen
Italien und der Heiligen Römischen Kirche regeln, machen in dieser Hinsicht
keine Ausnahme.
Wie in jedem anderen Land der Erde werden auch im Staat der
Vatikanstadt Ermittlungen durchgeführt, um Verbrechen und Korruption zu
bekämpfen, wobei modernste Technik zum Einsatz kommt wie etwa hochsensible
Wanzen, die noch den leisesten Seufzer im Beichtstuhl aufzeichnen könnten. So
geschehen im Frühjahr 2008, als im Büro des Ingenieurs und Leiters der
Technischen Dienste Pier Carlo Cuscianna Abhörgeräte installiert wurden. Die
Ermittlungen werden wegen angeblicher unrechtmäßiger »Vorfälle im Bereich der
Leitung der Technischen Dienste« eingeleitet, wie es sehr allgemein in den
Akten heißt. Dem Leiter kommt dabei offenbar die Rolle eines ahnungslosen
Zeugen zu.
Cuscianna ist nicht irgendeiner der vielen Zivilangestellten, die
jenseits der Kolonnaden des Petersplatzes arbeiten. Als leidenschaftlicher
Verfechter alternativer Energien, innovativer Manager und Verfasser mehrerer
Bücher [1] ist der Ingenieur stets maßgeblich beteiligt, wenn es um
Instandhaltungsmaßnahmen geht. Er war beispielsweise die treibende Kraft hinter
der Fotovoltaikanlage mit 2400 Solarpaneelen auf dem Dach der riesigen Aula Paolo VI, die im November 2008 eingeweiht wurde. Doch
im April geschieht etwas, das im Stadtviertel Parioli, also auf
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