Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
geparkt,
der ebenfalls für diesen Anlass benutzt wurde und völlig unbehelligt blieb.
Es wurden
mehrere Personen befragt, doch keiner war in der Lage, sachdienliche Hinweise
zu liefern; nur ein Bediensteter des Restaurants hatte, ohne die Uhrzeit nennen
zu können, Schüsse gehört, aber nicht weiter darauf geachtet, da er dachte, es
handele sich um Böller.
Die Auswertung
der Aufzeichnungen der vor dem Eingang zum Restaurant installierten
Überwachungskamera ergab keinerlei Indiz, da sie auf die Umfassungsmauer des
Gebäudes gerichtet ist und nicht auf die Straße.
Die Carabinieri handeln schnell und halten die Gendarmen
mit ungewöhnlichem Eifer über jeden ihrer Schritte auf dem Laufenden. Innerhalb
von zwölf Stunden schaffen sie es, alle Spuren zu sichern und die ballistischen
Untersuchungen durchzuführen, und fassen ihre Erkenntnisse zusammen, wobei sie
auch festhalten, es bestehe keine Notwendigkeit, das Auto für eventuelle
weitere Untersuchungen zu beschlagnahmen. Sie geben den Wagen daher zurück:
Sofort nach
den notwendigen Spurensicherungsmaßnahmen wurde das Auto zur nahe gelegenen Carabinieri-Wache »Bravetta« gebracht,
und heute um 12.30 Uhr, nach weiteren ballistischen Untersuchungen, haben
Mitarbeiter der Gendarmerie das Fahrzeug wieder in Empfang genommen, da keine
Beschlagnahmung verfügt worden war.
Aus dem Hergang
des Falls ergibt sich die Annahme, dieser Akt des Vandalismus sei von einem
Geistesgestörten verübt worden, der zufällig in der Via Aurelia Antica
vorbeikam, ein Fahrzeug mit vatikanischem Kennzeichen bemerkte und eine
demonstrative oder einschüchternde Geste vollziehen wollte,
höchstwahrscheinlich aus persönlichen Ressentiments heraus.
Dass es sich
aller Wahrscheinlichkeit nach um einen Verrückten handelte, wird nach Aussage
der Ballistikexperten auch durch den Umstand bestätigt, dass der Täter seine
eigene Unversehrtheit aufs Spiel gesetzt hat, da er trotz der kleinkalibrigen
Kugeln aus nächster Nähe auf das Fahrzeug geschossen hat.
Aus dem Bericht ergibt sich allerdings ein merkwürdiges
Detail. »Von den Kugeln keine Spur«, ist zu lesen. Wo sind die vier Kugeln
geblieben? Wie kommt es, dass keine einzige gefunden wird? Gut möglich, dass
eines der Geschosse sich nach dem Durchschlagen der Karosserie in die Mauer
oder in den Asphalt gebohrt hat, aber die anderen? Ein Mysterium.
Natürlich ist das Auto sofort an den Vatikan zurückgegeben worden,
ohne Verzögerung und ohne langwierige Untersuchungen und bürokratische
Komplikationen, die wohl jeden »normalen« Bürger getroffen hätten, der eines
Abends nach einem gemütlichen Fischessen mit Freunden beim Verlassen des Lokals
sein Auto von Kugeln durchsiebt vorfände. Die besonders delikate Situation wird
die Carabinieri wohl veranlasst haben, unter Einhaltung der
Verfahrensvorschriften (einschließlich der Übergabe eines Protokolls über die
technischen Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft) zügig vorzugehen, um zu
verhindern, dass die Medien Wind von der Sache bekommen.
Ein kleiner Napoleon im Vatikan
Auch diesmal hat der Leiter des Sicherheitsdienstes
Domenico Giani es geschafft, eine heikle und in mehrfacher Hinsicht
beunruhigende Situation zu meistern. Es setzt sich die »minimalistische«
Version des Vorfalls durch. Es könnte ja wirklich die Tat eines Spinners
gewesen sein, es könnte sich aber auch um einen Einschüchterungsversuch
handeln, dem man genauer auf den Grund gehen müsste. Im Übrigen genießt Giani
das volle Vertrauen der hochrangigen Kardinäle. Es besteht daher kein Anlass,
an seinen Darstellungen zu zweifeln. Wäre da nicht ab und zu ein anonymer Brief
über ihn in Umlauf. »Alles Eifersucht«, sagt er zu seinen Freunden, »sie
beneiden mich, weil ich im Dienst des Papstes stehe.«
Bis vor wenigen Jahren hatte Giani mit vatikanischen »Dingen« nichts
zu tun, da war nur seine Liebe zur Kirche: Schon vor Jahren hatte er die
Comunità Giovanile del Sacro Cuore (Herz-Jesu-Jugendgemeinschaft) und die
gemeinnützige Organisation Rondine – Cittadella della Pace (Stadt des Friedens)
mitgegründet. Jahrgang 1962, aus dem toskanischen Arezzo, verheiratet, zwei
Kinder, Diplom-Pädagoge nach dem Studium an der Universität Siena – so ist im
Facebook-Eintrag zu lesen. Als ehemaliger Maresciallo der Finanzpolizei war
Giani ohne besonderen Ehrgeiz, zumindest bis 1993, als Johannes Paul II. die Wallfahrtskirche Verna in der Provinz
Arezzo besuchte. Hier ist Giani zu Hause und tut
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