Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
sich als ehrenamtlicher Leiter
der Ambulanz Misericordia hervor, sodass der damalige Bischof von Arezzo,
Flavio Roberto Carraro, ihn Camillo Cibin vorstellt, dem Leiter der
Gendarmerie, die damals noch Vigilanza hieß.
Die beiden verstehen sich auf Anhieb. Cibin führt ihn bei Giovanni
Battista Danzi ein, seit 1995 mächtiger Generalsekretär des Governatorats. Giani
ergreift die Gelegenheit beim Schopf. Dank eines Sondergesetzes gelingt es ihm,
zum Oberleutnant befördert zu werden, um sich dann freistellen zu lassen, als
er 1999
als stellvertretender Leiter der Gendarmerie hinter das Bronzeportal berufen
wird. Danzi möchte ihn im Vatikan haben, und 2006, als Cibin in Rente
geht, wird Giani sein Nachfolger, nachdem er ihm jahrelang assistiert hatte.
Die Gendarmerie versucht in diesen Jahren, sich eine Schlüsselrolle im
Machtgefüge des Heiligen Stuhls zu erkämpfen. Zum Erfolg dieses Bemühens trägt
auch die Effizienz der im Jahr 2000 geschaffenen Kommandozentrale bei, zu der kaum
jemand Zugang erhält. Der Leiter der Gendarmerie, dessen Rang in Italien dem
eines Generalleutnants entspricht, obwohl er gerade einmal 150 Gendarmen befehligt,
gewährt nur wenigen Zutritt, so zum Beispiel dem Kommissar Gianluca Gauzzi
Broccoletti aus Gubbio in Umbrien, Jahrgang 1974. In dieser
Kommandozentrale befindet sich eine Anlage mit dem vielsagenden Beinamen »Digit
Deo«, mit deren Hilfe jedes Gespräch abgehört werden kann. Diese mit Hightechgeräten
israelischer Firmen ausgestattete Anlage mit Kontrollsystemen an allen
sensiblen Punkten dient der Sicherheit im Vatikan.
Die Gendarmerie verfügt auch über eigene Sicherheitsexperten, unter
ihnen Gauzzi Broccoletti; er hält 18 Prozent der Anteile der Firma EGSS Advising aus Civitavecchia, deren Büros
direkt am alten römischen Hafenbecken liegen. EGSS
befasst sich mit allem rund um das Thema Sicherheit: von der Abwehr von
Lauschangriffen bis zu telematischen Sicherheitskonzepten. So ist Broccoletti
im Vatikan Polizeibeamter und in Italien Unternehmer der Sicherheitsbranche,
der absolut legale Instrumente und Technologie für jede Anwendung verkauft und
zur Verfügung hat. Mitgesellschafter von Gauzzi Broccoletti ist ein weiterer
Kommissar der vatikanischen Gendarmerie: Stefano Fantozzi, der in der
Verwaltung der Kaserne arbeitet und 23 Prozent der Anteile des Unternehmens hält. In
Civitavecchia hat eine weitere Sicherheitsfirma ihren Geschäftssitz, die
ebenfalls einem Gendarmen gehört. Es handelt sich um die Consulting Security
S.r.l. von Enzo Sammarco, der seit 1980 Kommissar im technischen Labor der Gendarmerie
ist.
Es ist nicht auszuschließen, dass aufgrund der Doppelrolle dieser
Gendarmen irgendwann Interessenkonflikte entstehen können. In Italien
beispielsweise ist es Polizeibeamten verboten, anderen Berufen nachzugehen oder
leitende Funktionen in Privatfirmen auszuüben. Hier aber haben wir es mit
Tätigkeiten in zwei zwar benachbarten, dennoch aber auf dem Papier souveränen
und eigenständigen Staaten zu tun.
Dem Staatssekretariat ein Schnippchen geschlagen
In den letzten Jahren konnte die Gendarmerie ihre Rolle
und ihre Machtposition immer weiter ausbauen. Allerdings kam es auch zu
diplomatischen Zwischenfällen, zu Eifersüchteleien, Neid und Missstimmigkeiten.
So entdeckt im Spätherbst 2008 das vatikanische Staatssekretariat, dass wenige
Monate zuvor, im September, eine neue Polizeiordnung in Kraft getreten ist,
ohne dass Bertones Büro um seine Meinung gefragt worden wäre. In der Terza
Loggia ist man zumindest pikiert: Dieser Schachzug des Governatorats, dem die
Gendarmerie unterstellt ist, verstößt gegen die Regeln und gegen das
Gewohnheitsrecht und bedeutet eine Kraftprobe zwischen Bertone und der
damaligen Nummer zwei des Governatorats, Erzbischof Renato Boccardo. Das Klima
lässt sich aus einem Aktenvermerk der Rechtsabteilung erahnen – aus der Feder
von Felice Sergio Aumenta, der wie Gänswein die Funktion eines Minutanten
ausübt:
Zunächst ist
zu konstatieren, dass das Reglement genehmigt wurde und am 29. September 2008 in Kraft getreten
ist. Wir wollen uns somit auf zwei Bemerkungen beschränken: eine methodische
und eine inhaltliche. Es löst Verwunderung aus, dass das besagte Reglement
genehmigt wurde, ohne die Stellungnahme des Staatssekretariats einzuholen, was
nicht nur angemessen, sondern notwendig gewesen wäre. Es geht nicht nur (was an
sich schon ausreichen würde) um die Einhaltung des Grundgesetzes, wonach
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