Seine junge Geliebte
Schwester Angelika! Ich kann jetzt tatsächlich eine Tasse Kaffee gut gebrauchen!«
»Dachte ich mir's doch! Wenn Sie so früh anfangen, müssen Sie ja hundemüde sein. Da ist eine Tasse Kaffee immer noch das beste!«
Thomas Bruckner ging zu dem kleinen Tisch hin, auf den Schwester Angelika die Kaffeetasse gestellt hatte. »Desinfizieren Sie bitte schon das andere Auge«, bat er Dr. Heidmann. »Sie können Ihren Kaffee nachher trinken.«
»Wir werden wunderbare Tage in Paris zusammen verleben.« Axel holte aus seinem Koffer ein Büchlein heraus. »Schau, das ist ein Plan von Paris. Du wohnst hier. Das Hotel Méridien liegt nämlich außerhalb der Innenstadt. Unser Hotel aber –«, er schaute sie mit seinen blauen Augen an, »liegt mitten in der Stadt. Hier – im Herzen von Paris! Und meine Ausstellung wird hier in Montparnasse sein. Es ist eine neue Galerie, die mit meinen Bildern ihre zweite Ausstellung veranstaltet.«
»Du tust gerade so, als ob ich wochenlang in Paris bleiben kann. Das geht leider nicht. Ich bin zwar eine freie Journalistin, aber ich muß Aufträge haben. Wenn ich meinen Griffel nicht bewege, raucht der Schornstein nicht. Es ist schon eine Konzession, die ich mache, wenn ich das Wochenende in Paris bleibe. Eigentlich wollte ich an diesem Wochenende sehr viel zu Hause arbeiten!«
»Arbeiten!« Axel machte verzweifelte Armbewegungen. »Das ist doch Wahnsinn! Man ist nur einmal jung. Das muß man ausnutzen. So oft kommst du nicht nach Paris – oder –«, er hielt plötzlich inne und zog sie an sich, »vielleicht bleiben wir für immer da! Wäre das nicht herrlich? Wir beide in Paris – in der großen Stadt – in einer kleinen Dachwohnung …«
Sie machte sich lachend von ihm los. »Du machst mich schon zu einem Aschenputtel. Ich soll dir wahrscheinlich den Haushalt führen, einkaufen, während du deine genialen Werke auf die Leinwand bannst.«
Er stutzte, dann lachte er laut. »So war es natürlich nicht gemeint. Wir gehen zusammen einkaufen. Du ahnst nicht, wie schön es ist, in Paris einkaufen zu gehen. In der Rue de Buci gibt es lauter kleine Händler, bei denen man noch persönlich bedient wird: Gemüse, Obst, Butter, Käse.«
Er wollte sie wieder stürmisch umarmen, aber sie schob ihn zurück. »So einfach ist das nicht. Ich muß dir eins sagen –«, ihre Stimme klang nun ein wenig traurig, »in meinem Leben gibt es jemand …«
9
»Es könnte einem direkt leid tun, daß man bei sich nicht auch eine kosmetische Operation von Herrn Bruckner machen lassen kann.« Schwester Angelika stand noch im OP und schaute zu, wie Dr. Bruckner am rechten Oberlid, dem letzten kosmetischen Eingriff bei Peter Sartorius, die Nähte legte. »Er macht das so fantastisch …«
»Einen Augenblick!« Dr. Phisto schaute zu Dr. Bruckner hin, der gerade die letzte Naht legte. »Wir sind doch viel früher fertig geworden, als Sie voraussagten!«
»Ja – wir haben eine Stunde gespart. Aber ich habe es immer ganz gern, wenn man nicht zu sehr gehetzt ist. Es ist besser, wir lassen uns etwas Zeit, als daß wir gezwungen sind, schneller zu operieren.« Er drückte den Mull auf das Oberlid, wartete eine Weile, hob ihn dann hoch und nickte. »Die Blutung steht! Der Patient kann in sein Zimmer. Aber – warum fragen Sie?«
»Sie könnten doch jetzt eigentlich noch Schwester Angelika vornehmen.«
»Ich soll Schwester Angelika operieren?« Dr. Bruckner schaute erstaunt die alte Schwester an. »Was fehlt Ihnen denn?«
»Nichts!« Die Schwester warf einen wütenden Blick auf Dr. Phisto. »Ich meinte nur, Sie operieren so gut, daß man sich ohne Sorgen zu Ihnen auf den Operationstisch legen kann.«
»Jetzt haben Sie die beste Gelegenheit. Ich glaube, Dr. Bruckner wird Sie gern operieren!«
»Unsinn!« Schwester Angelika machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie sollen eine alte Frau nicht immer auf den Arm nehmen.«
»Allenfalls in den Arm!« Dr. Phisto nahm ein Handtuch und wartete, bis Dr. Heidmann das Tuch, das über die Haare des Patienten gedeckt worden war, abnahm. Nun wischte er dem Patienten die Stirn ab und klopfte ihm auf die Wangen.
»Herr Sartorius!« Er sprach laut und beugte sich tief zu dem Patienten hinab. »Wir sind fertig!«
»Fertig?« Die Worte des Patienten klangen gedehnt. »Ich habe so gut geschlafen. Ich habe nichts gemerkt. Der Eingriff ist gelungen?«
»Er ist gelungen! Ich habe jedenfalls das getan, was ich von meiner Seite aus tun konnte. Jetzt müssen Sie das
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