Seine junge Geliebte
weitersprechen. Axel hatte seine Wange an ihr Gesicht gelegt und bewegte sie hin und her. Lächelnd fragte er: »Das gefällt ihnen also?«
»Ja, aber –«, sie versuchte, ein wehleidiges Gesicht zu ziehen, »im Augenblick finde ich es wohl schön. Aber ich fürchte, daß meine Haut darunter leiden wird. Wenn Sie mit Ihrem –«, ihr Lächeln verstärkte sich, »Reibeisen auf meiner zarten Haut herumkratzen, muß sie ja wund werden.«
»Und ich dachte, Sie hätten das gern!« Er spielte den Erstaunten, ließ sie los und rückte ein wenig von ihr ab.
Sie griff nach seiner Hand. »Sie dürfen mich nicht mißverstehen. Ich spüre gern ein stacheliges Kinn, aber Sie dürfen nicht mit Ihren Stoppeln auf meinem Gesicht herumreiben. Mir genügt eine zarte Berührung.«
»Also so etwas …« Axel zog sie fest an sich, drückte sanft seine Wange auf ihr Gesicht, suchte ihren Mund …
Bärbel glaubte, daß ihre Sinne schwinden. Sie fühlte sich so glücklich wie noch nie, doppelt glücklich, weil sie nach der Enttäuschung plötzlich in ein Gefühl der Glückseligkeit hinübergewechselt war.
»Ist noch jemand zugestiegen?« erklang die Stimme des Schaffners von der Tür her. Die beiden fuhren auseinander.
Axel nickte, griff in die Tasche und holte seine Fahrkarte hervor. »Ich muß nachzahlen.«
Der Beamte nahm den Fahrschein entgegen und schmunzelte. »Das werden Sie müssen. Aber –«, sein Lächeln verstärkte sich, »ich nehme an, Sie tun es gern.«
»Sehr gern sogar!« Axel schaute zu, wie der Beamte den Zusatzfahrschein ausschrieb. Er holte sein Geld aus der Tasche und zahlte die Differenz.
»Ich wünsche Ihnen beiden eine gute Fahrt!« Der Beamte nickte ihnen zu, verließ das Abteil und schloß die Tür.
Der Zug hielt. Ein paar neue Fahrgäste gingen den Flur entlang. Sie schauten in das Abteil hinein, gingen aber weiter.
»Mir scheint, daß Amor Wache hält und hier keinen eintreten läßt. Es wäre ja noch schöner, wenn uns jemand stören würde.«
Seine blauen Augen ruhten fest auf Bärbels Gesicht. »Bärbel!« Er legte seine ganze Zärtlichkeit in den Namen hinein. Seine Blicke waren noch beredter als seine Worte. »Komisch –«, sein Blick wurde ernst, »wir haben uns doch eigentlich gesiezt. Den Sekt haben wir gestern schon getrunken, den Bruderschaftskuß können wir heute nachholen!« Er zog sie an sich und beugte sich über sie. Der Zug ratterte dahin. Bärbel sank immer mehr in das Glück hinein. Einmal dachte sie an Peter Sartorius, der jetzt unter dem Messer liegen mußte. Es tat ihr leid, daß sie ihn vergessen hatte …
»Was hast du?« Erstaunt ließ Axel sie los und schaute sie an. »Du bist plötzlich so erstarrt!«
»Ich dachte einen Augenblick an –«, Bärbel überlegte, ob sie ihm die Wahrheit sagen sollte, aber dann zog sie es vor, lieber zu schweigen, »Paris!« führte sie den Satz zu Ende. Er brauchte nichts weiter von Peter zu wissen. Sie fürchtete, es würde ihn aufregen, er könnte ärgerlich – vielleicht sogar eifersüchtig werden.
»Da brauchst du doch nicht zu erschrecken. Warum fürchtest du dich vor Paris? Es ist die schönste Stadt, die es gibt. Sieh mal –«, er nahm wieder ihre Hände, »du wirst eine Nacht im Méridien wohnen. Dann kommst du zu mir ins Hotel Saint-André-des-Arts. Es liegt im interessantesten Teil von Paris. Es wird dir gefallen. Ich habe schon angerufen. Es ist um diese Zeit schwer, Zimmer zu bekommen, aber das geht in Ordnung.«
Ein Schreck durchfuhr Bärbel. Sie wollte fragen, ob er ein Einzelzimmer für sie bestellt hatte oder ob er damit rechnete, daß sie mit ihm in ein Doppelzimmer ziehen würde. Sie wurde unterbrochen. Die Abteiltür öffnete sich.
»Deutsche Paß- und Zollkontrolle! Ihre Personalausweise, bitte.« Ein junger Beamter streckte seine Hand aus. Bärbel griff in ihre Tasche, nahm ihren Paß hervor und reichte ihn dem jungen Mann. Der durchblätterte ihn, gab ihn zurück und kontrollierte Axels Paß. »Haben Sie irgend etwas anzugeben?« Sein Blick ging zum Gepäcknetz in die Höhe.
»Nein, nur persönliche Dinge.«
Der Beamte warf noch einen prüfenden Blick auf die beiden, schmunzelte und legte grüßend seine Hand an die Mütze. »Ich wünsche Ihnen eine gute Fahrt!«
»Wie geht es dem Patienten?« Dr. Bruckner hatte den Schnitt am unteren Rand des Augenlides nach außen hin verlängert. Dann ließ er ihn auf eine Strecke von einem Zentimeter nach unten abknicken, so daß er hier in einer natürlichen
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