Seine junge Geliebte
Falte der Krähenfüße verlief.
»Sehr gut«, antwortete Dr. Phisto. Er stand auf, schaute auf das Operationsfeld und nickte. »Der Kreislauf hat sich in keiner Weise verändert. Außerdem –«, er fühlte nach dem Puls, »schlägt sein Herz so ruhig wie nie. Wahrscheinlich träumt er etwas Schönes«, fügte er hinzu.
»Wohl von seiner kleinen Freundin«, meinte Dr. Heidmann.
Dr. Bruckner schüttelte ärgerlich den Kopf. »Bitte, keine private Unterhaltung in Gegenwart des Patienten«, wies er Heidmann zurecht. Er griff nach einer feinen Pinzette, packte den Schnittrand und begann, mit den Branchen einer Schere unter die Haut zu fahren. Er unterminierte sie weitgehend, so daß sie sich wie ein loser Lappen von der Unterlage abheben ließ.
Nun zog er mit der Pinzette die lockere Haut nach oben, so daß sie straff anlag, und deutete auf den Überschuß an Haut. »Das muß ich jetzt fortschneiden, damit der Mann seinen Tränensack verliert.« Er ließ den Worten die Tat folgen. Mit einem feinen Skalpell trennte er die überschüssige Haut ab. Mit der Pinzette griff er nach einem dicken gelben Fettklumpen, der aus der Tiefe herausdrängte, und schnitt ihn mit der Schere ab. »Das ist Fett aus der Augenhöhle. Wenn man das nicht fortnimmt, dann bleibt ein unschöner Buckel nach der Operation. Ich glaube, jetzt wird das Unterlid glatt aussehen.«
Mit der Spitze der Pinzette näherte er die Wundränder einander und nickte. »Sie sehen, daß das Unterlid jetzt vollkommen glatt ist. Geben Sie mir bitte ein paar feine Nähte.«
Schwester Euphrosine reichte ihm den Nadelhalter. Sie hatte eine öhrlose Nadel in die Schnauze eingeklemmt, bei der der Faden die unmittelbare Fortsetzung der Nadel selbst bildete. »Auf diese Weise verhindern wir, daß große Löcher beim Durchstoßen der Nadel in der Haut entstehen«, erklärte der Operateur.
Er stieß mit der Spitze der Nadel durch die Wundränder am äußeren Augenwinkel, schlang mit dem Nadelhalter eine Schleife durch den Faden, griff mit der Schnauze nach dem Fadenende und zog die Schleife zu einem Knoten zusammen.
Heidmann schnitt den Faden dicht am Knoten ab.
Bruckner legte weitere Nähte mit demselben Faden, indem er immer wieder mit dem Nadelhalter einen Knoten legte, während der Assistent die Fäden abschnitt.
In kürzester Zeit hatte er die große Wunde durch Einzelnähte verschlossen.
»Vierzehn Knoten«, erklärte Dr. Phisto, der mitgezählt hatte. »Wann werden Sie die Fäden ziehen?«
Dr. Bruckner lachte laut. »Sie denken jetzt schon ans Fäden ziehen, dabei haben wir erst knapp ein Viertel der Operation beendet. Ich muß noch das andere Unterlid und zwei Oberlider operieren. Aber eins ist sicher …« Er trat vom Operationstisch zurück, zog seine Handschuhe aus, wusch seine Hände in einer desinfizierenden Flüssigkeit und ließ sich von einer Schwester den Schweiß von der Stirn wischen. »Die Unterlider sind immer am schwierigsten zu operieren. Da besteht die Gefahr, daß ein Ektropion auftritt.«
»Ektropion?« wiederholte Schwester Euphrosine fragend. »Was ist denn das nun schon wieder?«
»Wenn ich nur einen Millimeter zuviel Haut wegschneide, dann stülpt sich das Unterlid aus. Man sieht das Rote, und das Auge tränt, weil es die Tränenflüssigkeit nicht mehr halten kann. Das ist eine sehr unangenehme Geschichte. Die würde dann eine erneute Operation erforderlich machen, damit man diesen Zustand wieder beseitigt. Es kommt hier wirklich auf Millimeter an, um ein einigermaßen anständiges Ergebnis zu erzielen. Sonst erreicht man das ganze Gegenteil; der Patient sieht schlimmer aus als vorher. Er gleicht dann jenen Bulldoggen, die mit blutunterlaufenen Augen durch die Gegend ziehen.« Er streckte seine Hand aus und ließ sich von Schwester Euphrosine neue Handschuhe geben. Er schlüpfte hinein, griff nach einem Tupfer und wischte die Blutstropfen fort, die durch die Stichlöcher ausgetreten waren.
»Wollen Sie einen Verband legen?« Schwester Euphrosine beugte sich zu Dr. Bruckner hinüber.
»Nein, wir lassen das Auge so, wie es ist. Das trocknet wunderbar fest. Ein Verband würde nur stören. Sehen Sie –«, er hob den Tupfer in die Höhe und deutete auf die Wunde, »das Blut ist schon eingetrocknet. Ein Verband ist nicht nötig. Im Gesicht heilt ja alles besonders gut. Ich wüßte auch nicht, wie man hier einen Verband befestigen sollte. Er würde den Patienten nur stören. Die Fäden können wir dann nach zwei bis drei Tagen
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