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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Binder
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sich an die Stirn und tritt zur Seite, um uns in den schmalen Flur zu lassen.
    Intelligenterweise bin ich die Erste, wofür ich mir am liebsten selbst in den Hintern getreten hätte. »Warum lasse ich eigentlich nicht den kräftigen Kollegen den Vortritt, sondern flitze wie ein wild gewordener Handfeger als Erste die Treppen hoch?«, frage ich mich, als mein Blick auf eine total verbogene Gabel auf dem Boden fällt, an der Blut klebt.
    »Polizei!«, ruft mein Kollege hinter mir, und wir tasten uns langsam weiter in die Wohnung rein. Automatisch fährt meine Hand an die Waffe.
    In der Küche werden wir fündig. Einer der Brüder liegt ausgestreckt am Boden und regt sich nicht, der andere hockt daneben und wimmert Entschuldigungen. Wir stürmen zu viert in den Raum, die beiden männlichen Kollegen zerren den großen Kerl von seinem Bruder weg, stellen ihn an eine Wand und tasten seine Hose nach Gegenständen ab, während meine Kollegin einen Rettungswagen verständigt und ich mich neben den Verletzten auf den Boden knie.
    Auf der Stirn hat er mehrere kleine rote Punkte, aus denen langsam Blut sickert, am Hinterkopf eine große Platzwunde, aus der das Blut geradezu herauspulsiert. Die Punkte stammen eindeutig von der blutigen Gabel im Flur, also bitte ich die Kollegin, sie als Beweismittel einzusammeln.
    Der Riese hat die Augen geschlossen, scheint aber halbwegs bei Bewusstsein. Sein Bruder wehrt sich zum Glück nicht, lässt sich Handfesseln anlegen und von den Kollegen aus der Wohnung führen. Irgendjemand reicht mir ein paar Mullbinden und Verbandspäckchen, und ich lege dem Verletzten einen zwar nicht schönen, aber offenbar wirksamen Druckverband am Hinterkopf an. Zweimal versucht er dabei, nach mir zu schlagen, aber seine Bewegungen sind kraftlos, und die Arme wischen folgenlos durch die Luft.
    »Ich helfe Ihnen nur, halten Sie still!«, meckere ich ihn an. Da dreht er sich zur Seite und schläft einfach ein.
    Als die Sanitäter eintreffen, liegt der Kerl laut schnarchend auf dem Küchenboden, und ich stehe mit blutigen Händen daneben und grinse ein wenig hilflos. Selbst als sie ihn auf die Trage laden, wird er nicht wach. Ächzend und schnaufend schaffen die Sanis ihn mit unserer Hilfe die acht Stockwerke hinunter.
    Unten steht sein Vater, von dem wir endlich erfahren, was passiert ist. Der eine Bruder hat die Freundin des anderen beleidigt, beide hatten wie immer viel getrunken. Erst prügelten sie sich, dann hatte der eine die Gabel in der Hand, und der andere griff zur Bratpfanne.
    Kopfschüttelnd notiere ich alles. »Sachen gibt’s!«, kommentiere ich den Einsatz, als wir wieder im Streifenwagen sitzen.
    Die Kollegin zuckt mit den Achseln: »Ich bin bei denen immer nur froh, dass sie sich gegenseitig in die Fresse hauen und nicht mal plötzlich gemeinsam auf uns losgehen!«
    Stumm nicke ich und fahre uns zum nächsten Einsatz. In der Nähe des Flughafens ist ein Auto in eine Rotte Wildschweine gefahren, die auf der Straße herumliefen.
    Als wir ankommen, sieht die Landstraße aus wie ein Schlachtfeld. Überall Glassplitter, verbogenes Metall und Plastikteile, aber nirgendwo auch nur ein totes Wildschwein. Auch gut. Am Straßenrand steht ein Smart mit eingedrückter Front und zersplitterter Windschutzscheibe, in dem aber niemand sitzt. Suchend blicke ich mich um und sehe eine Frau, die auf dem Boden hockt und am ganzen Leib zittert.
    Rasch gehe ich auf sie zu. »Binder, Polizei Köln-Porz!«, stelle ich mich vor. Ich habe kaum ausgesprochen, da springt die Frau auf, wirft sich mir in die Arme und beginnt hemmungslos zu weinen.
    »Ist ja gut, ist ja gut. Ganz ruhig!« Sanft streiche ihr über den Rücken, um sie zu beruhigen und gleichzeitig unauffällig festzustellen, ob sie verletzt ist, während meine Kollegin und ich uns irritiert ansehen.
    Die Kollegin geht um den Smart herum und macht plötzlich keuchend einen Schritt zurück. »Ach du Scheiße!«, entfährt es ihr. »Janine, das musst du dir ansehen!« Sie scheint sich von ihrem ersten Schreck erholt zu haben und grinst mich an.
    Die Dame in meinen Armen atmet jetzt etwas ruhiger, und ich schiebe sie vorsichtig in Richtung Streifenwagen. »Setzen Sie sich solange in unser Auto. Brauchen Sie einen Rettungswagen? Soll ich jemanden anrufen?«
    Sie schüttelt den Kopf, zückt dann ihr Handy und wählt eine Nummer. Ich gehe zu dem Smart, und jetzt sehe auch ich, was mir eben beim flüchtigen Blick auf den Fahrersitz entgangen war: Dort liegt eine tote

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