Seitensprung ins Glück
umgekippten Chefsessel.
»Herrgott noch mal!«, heult Teddy.
»Miss Plow!«, stöhnt Milton. »Oh Miss Plow, das mag ich gar nicht.«
Teddys Blick wandert von mir zu Milton. »Ach, der ist behindert «, sagt er, fast schon entschuldigend. »Das hast du gar nicht gesagt, dass er behindert ist.«
»Ich hab dir auch nie gesagt, dass du ein Trottel bist«, sage ich, und dann geht der blöde Wasserhahn wieder auf und flutet meine Augen, unaufhaltsam wie Regen. Ich schniefe wie ein Baby, als ich das Gewicht von Miltons schwerem Arm spüre, der sich um meine Schultern und meinen Nacken legt wie eine Schlinge.
»Werden Sie bloß nicht frech zu Miss Plow«, höre ich Milton zu meinem Mann sagen. Das ist eine ganz neue Stimme, die da aus ihm kommt. Grollend, tief, umwerfend. Teddy steht hastig auf und klopft erst sich und dann den Sessel sauber. »Ganz ruhig, Kumpel«, sagt er mit grässlich gönnerhafter Stimme, »ist ja alles in Ordnung. Du musst dir wegen deiner Miss Plow keine Sorgen machen …«
»Trottel!«, wütet Milton. »Trottel! Schwuler Trottel! Zurückgebliebener Trottel!«
Ich fahre in dem engen Raum herum und sehe in Miltons gerötetes Gesicht. Er steht mit geballten Fäusten da, ein großer Mann, größer als Teddy, und die Härchen in seinem Nacken haben sich aufgerichtet. Teddy grinst dämlich hinter seinem Ledersessel. Genau, bedeck deine Eier, denke ich. Das solltest du wirklich zun.
Meine Finger tasten nach dem Knopf, der die Türen öffnet. »Lass uns gehen, Milton«, sage ich.
»Gut, Miss Plow. Wir machen uns Toast.« Wieder spüre ich seinen schweren Arm auf meinen Schultern. Mit beschützerischem Habitus zieht er mich durch den Flur.
»Milton«, sage ich zu ihm, als wir vor meiner offenen Wohnungstür stehen. »Es ist Zeit, dass du dich wieder an deine Arbeitsmanieren erinnerst.«
»Gut«, sagt Milton und lässt los.
»Milton.«
»Ja, Miss Plow.«
»Gute Arbeit.«
»Danke.«
Ich schließe die Tür hinter uns, als wir im Wohnzimmer sind. Ich lege sogar den Riegel vor. Teddys Werbepost liegt ausgebreitet auf den Sofakissen. Außerdem hat er seine lederne Bomberjacke vergessen, die ich ihm zum Geburtstag gekauft habe. Der Fernseher ist noch da, doch an der Küchenwand klafft eine Lücke, wo vorher der Servierwagen mit Schneidbrett und Mikrowelle stand. Der Ofen steht jetzt auf dem Boden, ein Stapel meiner Kochbücher liegt darauf. Ich bringe Milton mit einer sauberen Decke auf dem Sofa unter und mache ihm Tee sowie Zimttoast. Er seufzt zufrieden, als er den Toast isst, den Teller vor sich auf dem Bauch. Die Krümel fallen auf die Decke und legen sich in einem zarten, curryfarbenen Hauch um seinen Mund.
»Das macht mich so glücklich«, sagt er.
Von der Tür kommt ein zaghaftes Klopfen, aber wir reagieren nicht.
12
Überraschungslunch
»Willst du nicht wissen, was heute auf dem Speiseplan steht?«, fragt Marcie, als sie mich in ihrem alten Isuzu Rodeo vom EPT-Parkplatz entführt. Big Red nennt sie ihn, und er ist tatsächlich groß, und er ist rot, aber er ist auch so ziemlich das ungemütlichste Vehikel, in dem ich je gesessen habe. Marcie heizt mit über vierzig Meilen über eine Bodenschwelle und stellt damit sicher, dass wir beide nie Kinder oder zumindest nie mehr volle Bewegungsfreiheit im Nacken haben werden. Sie schneidet einem anderen Wagen, der den Parkplatz verlässt, den Weg ab, und der Fahrer drückt lautstark auf seine riesige Hupe.
»Arschgesicht«, sagt Marcie.
Es ist Mittwoch, und unsere geheimnisvolle Verabredung zum Essen steht an.
»Hat dieses Ding keine Stoßdämpfer?«, frage ich Marcie und füge hinzu: »Wie kann ich erraten, was auf dem Speise-plan steht, wenn ich nicht mal weiß, wo du mich hinbringst?«
Marcie beugt sich an mir vorbei zum Handschuhfach und zieht am Griff. Es springt quietschend auf, und eine braune Tüte fällt auf meinen Schoß. »Da ist noch eine drin«, sagt sie. »Unser Mittagessen. Wir können unterwegs essen.«
»Unterwegs wohin?«
»Unterwegs zu Teddys und Ingas neuem Haus.«
Mein Kopf ruckt vor, entweder wegen eines Schlaglochs oder wegen Marcies Ankündigung.
» Bist du total verrückt? «, frage ich sie. »Halt sofort diese Karre an!«
»Wir sind doch schon so gut wie da«, sagt Marcie völlig ungerührt.
»Halt an! Halt den Big Red an! Sofort!«
Ich bedaure es fast, dass sie mir gehorcht. Marcie reißt das Lenkrad nach rechts und bugsiert uns in irgendeine Einfahrt. Mir fällt zum ersten Mal auf, dass wir durch ein
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