Seitensprung ins Glück
habe dich einmal gesehen. Als Alexa dich nach Hause brachte.«
Mein Rücken gleitet an dem Kantholz hinunter, das mich stützt, bis ich auf dem mit Sägespänen bedeckten, halb fertigen Boden sitze. Alexa . Wie selbstverständlich er diesen Namen benutzt. Bei ihm ist sie mehr als die Figur aus einer Erzählung – ein Mensch, der wirklich existiert. Der Wind pfeift vom Meer herein, doch ich spüre die Kälte nicht.
»Aber ich habe dich gleich erkannt«, sagt er. »Ich würde dich überall erkennen.«
»Woran?«
Er zuckt die Achseln. »Du bist meine Tochter.«
Wir sind beide verlegen, nachdem diese Worte ausgesprochen sind. Dann spüre ich, wie etwas in meinem Herzen hart wird, etwas Stures, Verletztes. Darf ein Mann, der nie da war, mich als seine Tochter bezeichnen? Er ist ein Samenspender. Mein biologischer Vater. Aber das macht mich nicht zu seiner Tochter.
»Wo warst du, als die Stützräder von meinem Fahrrad abgenommen wurden?«, frage ich ihn.
Er blickt hinunter auf seine Stahlkappenstiefel, doch der Schmerz in seinem Gesicht ist unübersehbar.
»Warum warst du nicht bei meiner Abschlussfeier?«
»Ich habe an deine Abschlussfeier gedacht«, entgegnet er ruhig.
»Warum hast du nie angerufen oder geschrieben? Warum warst du nie da?«
In stiller Trauer senkt Johnny Bellusa den leicht gebeugten Kopf noch weiter. »Deine Großmutter wollte es nicht«, sagt er mit trauriger Stimme. »Ich hatte damals nichts zu melden. Ich war ein Kind, das etwas Schreckliches angestellt hatte. Ich hatte das Mädchen, das ich liebte, geschwängert. Und dann ist es weggelaufen.«
»Hat sie dich geliebt?«
Er fährt sich mit einer rauen Hand über die Augen und lässt sie eine Sekunde dort. »Das hat sie.«
»Warum ist sie dann nie zu dir zurückgekommen?«
Johnny Bellusa wendet sein gequältes Gesicht ab. »Ich hatte gehofft, dass du mir das sagen kannst.«
Wir schweigen eine Weile.
Dann sagt Johnny: »Wusstest du, dass deine Großeltern umgezogen sind, nachdem sie weg war? Alle Nachbarn hatten mitbekommen, dass ein Baby im Haus war, das nicht Mrs Pulkowskis Kind war. Also haben sie Islip verlassen und sind fortgezogen.«
Nach Commack, denke ich. In das Haus mit den beigen Wänden, das Heim meiner Kindheit. Sie haben es für mich getan, damit Helen weiter Obst in Wackelpeterformen servieren konnte, ohne dass der Hauch eines Skandals auf unserem Essen läge. Ich überlege gerade, ob ich das Johnny Bellusa erzählen soll (Verdient er, das zu wissen? Hätte er das nicht selbst herausfinden können?), als das Hammer-stakkato wieder einsetzt und mir einfällt, dass wir nicht allein sind.
»Wo ist Peter?«, frage ich.
»Er bringt die Rigipsplatten im Keller an.«
»Ein eigenartiger Ort, um mit den Wänden anzufangen.«
»Er wollte uns nicht stören.«
Das gut aussehende Gesicht meines Vaters ist blass. Ich betrachte die regelmäßigen Züge, den Nacken, den leichten Buckel. »Peter meint, du bist ein Frauentyp.«
»Ha!«, lacht mein Vater. »Ich habe eben nie geheiratet, das ist alles. Manchmal ist es ein bisschen einsam, also gehe ich mit einer Frau aus.« Er wirft mir einen besorgten Blick zu. »Das ist doch nicht schlimm, oder?«
»Ich bin nicht deine Mutter«, antworte ich barsch. »Du kannst tun und lassen, was du willst.«
»Du bist sauer auf mich«, sagt er. »Das kann ich dir nicht verübeln. Allie und ich haben ein ganz schönes Durcheinander angerichtet.«
Jetzt sieht er wirklich elend aus. Es ist nicht richtig, dass so ein großer Mann so verletzlich aussieht. Ich habe ein schlechtes Gewissen und denke, dass wir vielleicht doch alle Opfer sind, wenn es um die Liebe geht. Und wir sind alle Täter. Kommt Sex dazu – ein bisschen zu viel oder zu wenig davon –, schon zerbrechen ganze Ehen. Um der Liebe willen verletzen Menschen sich, benutzen, infizieren und befruchten sich. Liebende leiden. Kinder kommen aus Versehen zur Welt. Und Babybettchen füllen sich an Orten wie dem Little Flower Home für unverheiratete Mütter.
»Wer richtet kein Durcheinander an?«, frage ich ihn. »Da solltest du mal mein Leben sehen.«
Es scheint Johnny Bellusa unglücklich zu machen, dass ich das sage. Er betrachtet meinen zusammengesunkenen Körper auf dem Boden. »Ich wette, du hast ein schönes Leben«, sagt er. »Ich weiß, dass deine Mutter stolz auf dich wäre, wenn sie dich heute träfe.«
»Du hast nicht die geringste Ahnung«, erwidere ich und wische mir mit dem Handrücken über die Augen.
»Ich habe Augen im
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