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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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wollte.
    Tims Affäre war bitter. Aber sie tat nicht ganz so weh, solange wir uns in diesem Schwebezustand befanden. Deswegen versuchte ich, diesen Zustand so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Ohnehin war ich mir nicht sicher, ob ich diejenige war, die anrufen musste. Sicher, ich war gegangen. Ich hatte Tim und Kai zurückgelassen. Ich hatte Tims Gesprächsangebot ausgeschlagen. Aber das alles war schließlich nur eine Reaktion auf seine Affäre gewesen. Er hatte den Fehler gemacht. Nicht ich. Also sollte er auch gefälligst den ersten Schritt in Richtung Versöhnung tun.
    Aber auch Tim ließ sich Zeit damit, sich bei mir zu melden. Zu viel Zeit, als dass ich das Gefühl hatte, er würde mich ernsthaft vermissen. Anfangs dachte ich noch, er nehme Rücksicht. Um mir Gelegenheit zu geben, mit seinem Geständnis klarzukommen, den Vertrauensbruch zu überwinden. Aber je mehr Tage vergingen, in denen ich vergeblich auf eine Nachricht von ihm wartete, desto nervöser wurde ich. Gut möglich, dass ich es nicht ernst gemeint hatte mit der Trennung, aber Tim vielleicht schon. Und wenn ich genau darüber nachdachte, hatte er auch allen Grund dazu. Unsere Beziehung war nicht gerade rosig verlaufen in den letzten Monaten. Sie hatte eindeutige Abnutzungserscheinungen gezeigt. Nicht, dass wir uns viel gestritten hätten. Im Gegenteil, Streit wäre vielleicht noch ein klares Lebenszeichen unserer Partnerschaft gewesen. Nein, wir hatten angefangen, nebeneinander zu leben statt miteinander. Mein Job war stressig und zeitaufwendig. Ich war selten vor acht zu Hause, manchmal sogar erst um Mitternacht, verbrachte meine Wochenenden meistens in der Redaktion und hatte frei, wenn Tim arbeiten musste. Tims Referendariat war auch nicht gerade ein Zuckerschlecken, auch wenn ihm die Arbeit als Lehrer gut gefiel. Ständig gab es irgendwelche Unterrichtsproben vorzubereiten, Seminare zu besuchen, und wenn jemand im Kollegium krank war, musste Tim als Erster einspringen. Und dann war da schließlich noch Kai. Mit Kai hatte sich alles geändert. Er war unser Ein und Alles, klar, aber er forderte auch viel von uns. Er war ein kleiner Rabauke, der von morgens bis abends unter Strom stand. Er rannte, kletterte und quasselte in einer Tour, und wenn er mal still war, dann konnte man davon ausgehen, dass er gerade irgendeinen Unfug anstellte. Man konnte ihn keine Minute aus den Augen lassen. Genaugenommen waren Tim und ich längst nur noch damit beschäftigt, unsere Termine untereinander und auf Kai abzustimmen. Tim lieferte ihn auf dem Weg zur Arbeit im Kindergarten ab. Wenn ich ihn dann nachmittags wieder abholte und mit ihm auf den Spielplatz ging, war Tim oft noch in der Schule. Seine Sportstunden fanden meistens nachmittags statt. Wenn Kai und ich nach Hause kamen, reichte es gerade mal für ein kurzes Hallo, bevor ich wieder in die Redaktion hetzte und Tim das Abendprogramm für Kai bestritt. Und wenn ich nach Redaktionsschluss nach Hause kam, lag Kai schon im Bett, ich war todmüde und Tim entweder zum Fußball verabredet oder mit der Vorbereitung seiner nächsten Unterrichtsstunden beschäftigt. Unsere Tage waren von morgens bis abends durchorganisiert und vollgestopft. Da blieb wenig Zeit für Zweisamkeit. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann Tim und ich das letzte Mal zusammen etwas unternommen hatten, ohne Kai. Auch mit Kai war unser letzter Familienausflug verdammt lange her. Dieses Nebeneinanderherleben hatte sich ganz langsam in unseren Alltag geschlichen. War heimlich in unsere Beziehung gekrochen und hatte sie von innen ausgehöhlt. Und jetzt hatte Tim offenbar die Notbremse gezogen. Er wollte mehr. Er brauchte mehr. Und im Grunde brauchte ich auch mehr. Ich brauchte Tim.

    Eine Woche lang herrschte absolute Funkstille zwischen uns. Eine quälend lange Woche, in der ich Kai schmerzlich vermisste und nicht wagte, ihn anzurufen, aus Angst, dann auch mit Tim reden zu müssen. Eine elendig lange Woche, in der ich meine Beziehungsprobleme noch nicht einmal mit Arbeit ersticken konnte, weil im Büro das andere Problem auf mich lauerte. Ich wich Hannes aus, so gut ich konnte, und versuchte, unsere Gespräche auf ein Minimum zu reduzieren. Nicht dass er mich bedrängte. Im Gegenteil, er verlor kein Wort über diese Nacht und schien auch nicht das Bedürfnis zu haben, unser privates Verhältnis in irgendeiner Form zu vertiefen. Aber allein seine Anwesenheit im Büro, und die war als Ressortleiter kaum zu vermeiden, bereitete mir

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