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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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nicht das Problem. Wir hatten genug Abstand. Zu viel. So viel, dass er vor lauter Abstand mit seiner Kollegin ins Bett gehen musste, nur um mal wieder etwas Nähe zu bekommen.«
    Tina legte sich jetzt neben mich und starrte mit mir an die Dachschräge über uns, an der immer noch ein paar Fetzen Siebziger-Jahre-Tapete hingen.
    »Ich hab’s vermasselt, Tina. Und das Schlimmste ist, ich habe keine Ahnung, wie ich es besser machen kann. Ich kann mich nicht noch mehr aufteilen. Kai, der Job, meine ständigen Kurztrips zu irgendwelchen wichtigen Veranstaltungen. Tim ist einfach viel zu kurz gekommen.«
    Jetzt kamen mir doch wieder Tränen. Ich setzte mich auf und suchte in meinen Klamotten nach einem Taschentuch. Tina strich mir tröstend über den Rücken. »Hey, jetzt schlaf doch erst einmal eine Nacht drüber. In ein paar Tagen seid ihr wieder ein Herz und eine Seele, ganz bestimmt.«
    Ich schnäuzte mir die Nase und schüttelte den Kopf. »Nein, dieses Mal nicht. Ich kann einfach nicht mehr. Ich habe noch nicht einmal die Kraft, geschweige denn die Zeit dazu, um Tim zu kämpfen.«
    Tina wirkte plötzlich geschockter als ich. Sie hatte schon viele Beziehungsprobleme mit mir und für mich bewältigt. Aber in ihren Augen waren Tim und ich immer ein Traumpaar geblieben. Vielleicht auch, weil bei uns alles eine Nummer größer und intensiver war als bei ihr und Aygün. Jetzt war ich kurz davor aufzugeben, und selbst Tina wusste darauf nichts mehr zu erwidern, außer: »Wir sollten uns jetzt doch betrinken, findest du nicht?«
    »Ich muss morgen fit sein bei der Arbeit.«
    »Mein Gott, dein Chef wird es jawohl kaum persönlich nehmen, wenn du mal in den Seilen hängst.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher.«
    Ich biss mir auf die Lippe. Aber zu spät. Schon ahnte Tina, dass die Geschichte mit Tims Seitensprung noch nicht zu Ende war. Ich konnte ohnehin keine Geheimnisse vor ihr verbergen. Früher oder später würde es mir rausrutschen, warum also nicht gleich:
    »Ich habe mit ihm geschlafen.«
    »Nein.«
    »Doch?«
    »Wann?«
    »Na gestern, wann sonst?«
    »Ich fasse es nicht. Warum bist du nicht gleich zu mir gekommen?«
    Tinas Mitleid verwandelte sich für meinen Geschmack viel zu schnell in Misstrauen. Ich befürchtete schon, sie würde sich auf Tims Seite schlagen, und versuchte daher, möglichst verzweifelt zu klingen.
    »Ich wollte einfach nur alleine sein.«
    »Aha, na das ist dir dann ja hervorragend gelungen.«
    »Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich meinen Chef im Kino treffen würde.«
    »Okay, aber es ist immer noch ein weiter Weg vom Kinosessel in sein Bett.«
    »Zweihundert Meter.«
    »Hä?«
    »Es sind gerade mal zweihundert Meter vom Kino zu ihm nach Hause.«
    »Klar, da konntest du einfach nicht widerstehen, was?«
    »Es reicht, Tina, ich bin hier immer noch die Betrogene und im Gegensatz zu Tim weiß ich, wo die Grenze ist.«
    »Scheinbar nicht. Die ist nämlich in der Regel vor dem Chefbüro!«
    Ich funkelte Tina wütend an, aber sie hob verteidigend ihre Hände. »Ich meine ja nur … mein Grundsatz am Arbeitsplatz, ›Don’t shit where you eat.‹«
    »Sehr witzig. Du hast es ja auch einfach als deine eigene Chefin.«
    Wir sahen uns herausfordernd an und prusteten zur gleichen Zeit los. Wir lachten, bis wir uns völlig außer Atem wieder nebeneinander auf die Matratze sinken ließen. Genau das hatte ich gebraucht. Einen ordentlichen Zoff mit Tina. Jetzt ging es mir schon viel besser.
    »Na, Gott sei Dank«, sagte Tina erleichtert. »Einen Moment lang dachte ich wirklich, zwischen dir und Tim wäre es vorbei.«

Ausweichmanöver
    Und wenn es doch vorbei war? Ich traute mich nicht, es herauszufinden, und steckte mein Handy daher jedes Mal wieder weg, wenn ich mich in einem Anfall von Verzweiflung dazu durchgerungen hatte, mit Tim Klartext zu reden. Solange keiner von uns das Wort ausgesprochen hatte, war die Trennung auch nicht real. So lange war noch alles in der Schwebe, und alles war möglich. Tim konnte zugeben, dass seine Französischlehrerin ein riesiger Fehler gewesen war und zu mir zurückgekrochen kommen. Er konnte einsehen, dass Sarah außerhalb von Paris und unter normalem Schulneonröhrenlicht betrachtet überhaupt nicht sein Typ war, und dann zu mir zurückkommen. Es gab sogar die Möglichkeit, dass Sarah in Tim nicht mehr als eine kleine Klassenfahrtaffäre gesehen hatte und ihn zu mir zurückschickte. Und natürlich gab es die andere Möglichkeit, die ich mir lieber nicht ausmalen

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