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SEK – ein Insiderbericht

SEK – ein Insiderbericht

Titel: SEK – ein Insiderbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schulz
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sollen wir dabei tun?«, ergänze ich.
    Wir schauen Wilhelm erwartungsvoll an, und er beugt sich noch weiter zu uns herüber, ganz so, als sollten die anderen Kollegen in der Befehlsstelle seine Worte nicht unbedingt mitbekommen: »Ein brauchbares Zugriffskonzept existiert derzeit nicht. Fairerweise muss man aber sagen, dass diese Lage die bisherigen Dimensionen von Geiselnahmen ein wenig sprengt. Hinzu kommt, dass die Berliner Kollegen noch keine Erfahrungen mit Handgranaten als Drohmittel machen mussten. Deswegen sind wir ja hier.«
    »Na, dann sollten wir uns mal umschauen und schleunigst ein Konzept auf die Beine stellen, nicht wahr?«, sagt Piet mit seinem unerschütterlichen Gemüt und grinst breit. »Schließlich trainieren wir so was ja jede Woche …«
    Obwohl es sich vielleicht ein wenig überheblich anhört, hat Piet damit keineswegs unrecht. Als unser Ausbildungsleiter ist er für seine überaus ausgeklügelten Trainingsszenarien bekannt. Die Räumlichkeiten, die wir zu Übungszwecken stürmen müssen, sind beispielsweise mit einer unbekannten Vielzahl von Täter- und Geiselscheiben oder Puppen geradezu gespickt. Bei diesen Übungssequenzen, die zumeist in alten Abbruchhäusern stattfinden, arbeiten wir grundsätzlich mit »scharfem Schuss«, also mit normaler Einsatzmunition. Wir feuern auf die Täterscheiben, die in einem Raum verteilt sind, dürfen aber die Geiselscheiben, die überall dazwischen positioniert sind, auf keinen Fall treffen. Dieses Training erfordert von allen Beteiligten ein Höchstmaß an Feuerdisziplin und Vertrauen zum jeweiligen Nebenmann, da jeder seine Waffe aus der Bewegung heraus und in unmittelbarer Nähe zu seinem Kollegen abfeuert. Ein solches Training ist ziemlich risikoreich, allerdings auch unerlässlich, um sich die nötige Handlungssicherheit in diffizilen Einsatzsituationen zu verschaffen.
    Die meisten ausländischen Spezialeinheiten können in sogenannten Killing Houses trainieren, d.h. in Gebäuden mit verstellbaren Wänden, in denen mit scharfem Schuss im 360°-Winkel geübt werden kann. Ein solches Übungsgebäude existiert in unserem Bundesland aus Kostengründen nicht. Stattdessen trainiert meine Einheit in halbwegs geeigneten Abbruchhäusern. Beim Aufstellen der Scheiben werden mögliche Schusswinkel und Gefahrenbereiche vorher durch den Ausbildungsleiter begutachtet und berücksichtigt. Zu einem Schießunfall ist es trotz des vergleichsweise höheren Risikos bei der Durchführung dieser Trainings nie gekommen.
    Um den Ereignissen vorzugreifen: Etwa um die Jahrtausendwende wurde uns das Schießtraining mit scharfer Munition in Übungsobjekten durch das Innenministerium verboten, da man das Unfallrisiko für die beteiligten Beamten und die Allgemeinheit als zu groß erachtete. Man beachte die Feinheiten! Den SEK-Beamten wird zugemutet, bei einem Einsatz möglicherweise genau das tun zu müssen – dann allerdings völlig ohne Übung –, was ihnen im Training aus vermeintlicher Fürsorge verboten worden ist! Eine irrwitzige Einstellung, die sich in einem künftigen Einsatz bitter rächen könnte!
    Jetzt jedoch steht es für jeden von uns außer Frage, dass wir bei einem Zugriff aufgrund unseres Trainings selbst dann erfolgreich sein werden, wenn wir es hier mit mehreren schwer bewaffneten Tätern zu tun haben.
    »Ich schlage vor, wir sehen uns mal um«, werfe ich ein.
    Mit einem Nicken entlässt uns Wilhelm, und Piet und ich machen uns auf den Weg, um uns mit dem Gelände und dem Tatobjekt vertraut zu machen. Die Bankfiliale ist im Erdgeschoss eines alleinstehenden Gebäudes untergebracht, das an einer natürlich jetzt weiträumig abgesperrten und daher menschenleeren großen Allee liegt. Zur Straße hin gibt es über einem etwa einen halben Meter hohen Mauersockel eine große Fensterfront. Der Bankeingang befindet sich auf der linken Seite der Fensterfront. Auch die Rückseite des Gebäudes weckt unser Interesse. Dort stellen wir einen kleinen Kellerabgang mit einer fest verschlossenen, stabilen Holztür fest, der direkt in den Keller der Bank führt.
    Als Piet und ich um das Haus schleichen, treffen wir auf die Berliner SEK-Kollegen, die als Notangriffsteam an einer Hausecke postiert sind. Nach kurzer Begrüßung und Vorstellung frage ich den Leiter des Teams, einen bulligen, recht gedrungen wirkenden Kollegen: »Habt ihr schon mal ein ›Ohr‹ nach drinnen legen können?«
    Meine Frage bezieht sich auf die Möglichkeit, mittels eines von außen angebrachten

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