SEK – ein Insiderbericht
während Piet zufrieden grinst, als er die dicht beieinanderliegenden Treffer in der Rumpfmitte der Scheiben begutachtet, sagt er in seiner typischen Art: »Das hätte denen mit Sicherheit den Tag versaut … Gut gemacht.«
Ich grinse zurück und freue mich über das Lob, dann schlendere ich zu den derzeit nicht übenden Kollegen, die am Ende der Schießbahn zusammenstehen, sich den üblichen Unsinn erzählen und sich gegenseitig auf den Arm nehmen.
Es geht auf Mittag zu. Plötzlich beginnt der kleine gelbe Kasten in der Brusttasche meines Einsatzoveralls hektisch zu piepen. Da ich heute der Führer der Einsatzgruppe bin, habe ich meinen Eurosignalempfänger dabei. Offensichtlich ein Alarm. Ich begebe mich umgehend zum Schießstandwart, in dessen Gebäude ein Telefon vorhanden ist, und rufe das Geschäftszimmer unserer Dienststelle an, welches zur normalen Bürozeit immer besetzt ist und vermutlich den Alarm ausgelöst haben dürfte. Dort erreiche ich Paul, unseren Geschäftszimmerbeamten, der für alle innerdienstlichen Abläufe wie etwa Dienstpläne, Urlaube und viele andere Dinge verantwortlich ist.
»Hallo, Peter«, klingt es aus dem Hörer, »sammle deine Schäfchen ein, es geht nach Berlin …«
Ich bin zunächst völlig perplex und antworte nur: »Du machst Witze, oder? Haben die kein eigenes SEK?«
Meine Verwunderung basiert darauf, dass grundsätzlich jedes Bundesland eigene SEK-Kräfte für entsprechende Einsatzlagen vorhält. Allerdings kommt es relativ häufig vor, dass zur Bewältigung heikler Großlagen Unterstützung aus anderen Bundesländern angefordert wird. Dies können herausragende Geiselnahmen oder etwa auch Großdemonstrationen sein, bei denen dann verschiedenste Spezialeinheiten aus der gesamten Bundesrepublik zusammengeführt werden.
»Nee«, höre ich Pauls ironische Stimme im Telefonhörer, »in Berlin gibt’s ’ne dicke Geiselnahme in einer Bank, und die haben gehört, dass du der weltbeste Geiselbefreier sein sollst, da haben die dich angefordert.«
Ich muss laut lachen und antworte: »Tja, da hast du natürlich recht, ist nur komisch, dass man das nur in Berlin weiß und sonst nirgendwo … Aber im Ernst, was gibt’s?«
Paul informiert mich, dass bei dieser Geiselnahme eine bisher unbekannte Anzahl schwer bewaffneter Täter eine ebenfalls unbekannte Anzahl von Geiseln in ihre Gewalt gebracht hat.
»Und was sollen wir dann da?«, frage ich im Hinblick auf die Tatsache, dass zwischen Berlin und meinem Bundesland geographisch noch ein paar andere SEK-Einheiten liegen, die potenziell näher am Ereignisort wären und somit für eine Unterstützung der Berliner Kollegen eher in Frage kämen.
»Die Täter sind mit Handgranaten ausgerüstet, und man ist in Berlin der Meinung, dass wir aufgrund unserer Erfahrungen aus H. daher zur Unterstützung am besten geeignet wären …«
Gegen dieses Argument lässt sich aus meiner Sicht nicht allzu viel sagen, denn tatsächlich hatten wir nach den Ereignissen in der Bank von H. umfangreiche Experimente und Übungen zur Bewältigung von Lagen durchgeführt, die eine Bedrohung durch Handgranaten einschlossen. Auf diese Weise erarbeiteten wir uns spezielle Einsatztaktiken, wurden aber auch mit einer eigens dafür entwickelten Schutzbekleidung ausgestattet, die angeblich dazu angetan ist, uns auch im Nahbereich einer explodierenden Handgranate zu schützen. Das hat allerdings noch keiner von uns am eigenen Leib ausprobiert, und ehrlich gesagt ist von uns auch niemand scharf auf eine entsprechende Premiere.
Paul ergänzt weiter: »Ihr werdet nach Berlin fliegen, der BGS hat Transporthubschrauber zugesagt. Eine Vollalarmierung läuft bereits. Kommt sofort zurück.«
»Wow!«, denke ich, dann scheint die Lage ja durchaus etwas ernster zu sein. Durch die Vollalarmierung unserer Einheit werden alle erreichbaren, auch die nicht im Dienst befindlichen Kollegen alarmiert und zum Dienst zitiert, sodass wir in größtmöglicher Anzahl nach Berlin fliegen können. Ich rufe alle Kollegen zusammen und erläutere ihnen kurz die Lage. Natürlich gibt es lautes Gemurmel, da eine solche Lage selbst in unserer Einheit nicht alltäglich ist, auch wenn wir in der Vergangenheit schon häufiger über unsere Landesgrenzen hinaus im Einsatz waren.
Wir brechen unser Übungsschießen sofort ab und fahren mit aufmontierten Blaulichtern so schnell wie möglich zur Dienststelle zurück. Dort angekommen, werden gemeinsam mit den zu Hause alarmierten Kollegen die
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