SEK – ein Insiderbericht
und versuchen durch die Fenster der Puma einen Blick auf das abendliche Berlin zu erhaschen.
Wir landen auf einem Sportplatz, auf dem auch der andere Hubschrauber geparkt ist, der unsere Kollegen hier vor einer gefühlten Ewigkeit bereits abgesetzt haben muss. Als wir mit steifen Knochen aus der Maschine klettern, empfängt uns ein SEK-Kollege aus Berlin mit breitem Grinsen und ebensolcher Aussprache: »Na, meene Herrn, ham wa et jeschafft …?« Der breite Berliner Akzent lässt meine Kollegen erst mal laut lachen. Aber da sich Beamte von Spezialeinheiten überall auf der Welt ähneln und vor allem eigentlich immer auf Anhieb gut verstehen, nimmt uns das der Berliner Kollege überhaupt nicht krumm.
Er deutet auf zwei grün-weiße Mercedes-Transporter mit vergitterten Fenstern, die ihre besten Tage offensichtlich schon lange hinter sich haben. Verbeult, wie sie sind, scheinen diese Transporter schon an vielen nicht ganz friedlichen Demonstrationen teilgenommen zu haben. Und wieder verladen wir unsere Ausrüstung und zwängen uns in die »Bullenwannen«, wie sie von den Berlinern mehr oder weniger liebevoll bezeichnet werden.
Wir erfahren, dass wir direkt zum Schauplatz des Geschehens fahren werden, und sind erstaunt, dass der Berliner Kollege nicht viel mehr Informationen hat als jene, die wir nun bereits vor einigen Stunden bekommen haben. Die Lage ist immer noch völlig unklar und verworren, aber das sind wir ja irgendwie gewohnt.
Nach etwa 20 Minuten Fahrt durch das abendliche Berlin halten wir in einer alleeartigen Straße im Stadtteil Zehlendorf, einer der besseren Gegenden der Stadt. Bei den umliegenden Häusern handelt es sich entweder um hochwertige Mietshäuser oder um Villen, die sich harmonisch in das von hohen Bäumen durchzogene Straßenbild einfügen. Gestört wird diese Idylle jedoch durch die überall auf der Straße abgestellten Einsatzwagen der Polizei. Selbstverständlich haben die Berliner Kollegen den Bereich um die Bank weiträumig abgesperrt. Wie wir von unserem Fahrer erfahren, befinden wir uns nunmehr auf der Rückseite des Bankgebäudes, jedoch noch in einiger Entfernung und ohne direkte Sicht auf den Schauplatz.
Piet und ich fragen dann den Kollegen, der uns im Empfang genommen hat, nach dem Ort der Befehlsstelle, damit wir dort endlich mit den neuesten Informationen versorgt werden können, und vor allem, um zu erfahren, welche Aufgabe man uns denn tatsächlich zugedacht hat. Er deutet mit dem Arm in Richtung einer ganz in der Nähe befindlichen Ladenzeile. In der dortigen Bäckerei soll die Befehlsstelle des Berliner SEK untergekommen sein. Piet und ich machen uns also in bester Laune auf, reißen dabei, ganz wie es unsere gewohnte Art ist, den einen oder anderen Witz und lachen vor uns hin.
Als wir jedoch die Befehlsstelle betreten, ist plötzlich schlagartig Schluss mit unserer lärmenden Fröhlichkeit. In der Befehlsstelle herrscht betretenes Schweigen. Anwesend ist Wilhelm, unser Chef, wegen seiner Vorliebe für ebensolche Kleidungsstücke von uns auch scherzhaft »der rote Pullunder« genannt. Er hat in dem anderen Hubschrauber gesessen und ist folglich schon seit einiger Zeit hier vor Ort. Schweigend steht er neben dem Kommandoführer des SEK-Berlin, der auf einer umgedrehten Apfelsinenkiste sitzt, den Kopf in seine Hände vergraben hat, bei unserem Eintreten aber sofort aufsteht und uns die Hand gibt. Die Stimmung jedoch spricht Bände, und Piet und ich sehen uns nur vielsagend an. Selbst Piet, der sonst in solchen Fällen immer einen Spruch auf Lager hat, zieht es vor, erst mal ruhig zu bleiben.
Wilhelm schiebt Piet und mich in eine Ecke der Bäckerei und erläutert uns leise: »Die Lage hier ist immer noch ziemlich unklar und chaotisch. Wie viele Täter es sind, wissen wir nicht. Fest steht nur, dass sie vermutlich insgesamt 16 Geiseln festhalten. Offensichtlich sind die Täter schwer bewaffnet, man spricht von Sturmgewehren und Handgranaten. Beide Erkenntnisse sind aber nicht gesichert.«
Piet pfeift leise durch die Zähne. Dieses Szenario erreicht damit auch für uns bisher unbekannte Größenordnungen.
»Haben die Typen denn schon eine Forderung gestellt?«, frage ich Wilhelm.
»Sie wollen 17 Millionen D-Mark Lösegeld, einen Fluchtwagen und einen Hubschrauber als Fluchtmittel – und das bis Mitternacht.«
»Sonst nichts?«, bemerkt Piet trocken dazu und fragt sogleich weiter: »Was ist denn hier bisher geplant? Gibt’s ein Zugriffskonzept?«
»Und was
Weitere Kostenlose Bücher