Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
Zähnen das Höschen auszieht (das Ausnehmen von Fisch lässt viel zu viel Raum für schlüpfrige Fantasien). Mein schlimmster Albtraum bahnt sich seinen Weg in mein Gehirn – Dom und Rachel beim postkoitalen Kaffee im Lapaine, unserem absoluten Lieblingslokal –, und ehe ich weiß, was ich tue, beichte ich es ihm.
»Ich bin auch geschieden«, sage ich leise.
Da ich für ein vorläufiges Scheidungsurteil beschämend jung bin, bekomme ich nur selten Gelegenheit, jemanden zu fragen, wie es bei ihm oder ihr gelaufen ist. Aber es ist nicht nur das. Mich treibt auch die Mischung aus Abneigung und Faszination an, die sich in mir ihren Weg bahnt. Ich will ihn kennenlernen, ich suche das Licht, das die Dunkelheit in meinen Augen vertreibt, und dafür muss ich herausfinden, was darunter steckt.
»Gratuliere«, sagt Oscar mit einer Schärfe in seiner Stimme, die mir sofort verrät, dass ich eine Grenze überschritten habe. Ich hätte es wissen müssen, und das nicht nur, weil er mein Boss ist. Ich bin nicht stolz auf die vielen Leute, die ich gar nicht gut genug kenne und die es dennoch versucht haben, allerdings vergebens, mich taktvoll zu meiner Scheidung zu befragen, und deren blutige Köpfe am Ende über den Teppich gerollt sind.
Oscar hat sich wieder der Pfanne zugewandt und wirft in Windeseile Krabben hinein, offenbar unbeeindruckt von dem heißen Fett, das ihm ins Gesicht spritzt.
»Verzeihung, ich …«
»Vergessen Sie’s«, sagt er und kratzt wie ein sadistischer Zahnarzt mit seinem Holzlöffel in den Tiefen der Pfanne. Zwanghaft beobachte ich ihn dabei und muss zu meiner Schande gestehen, dass nicht nur ich ihn kennenlernen möchte, sondern auch möchte, dass er mich kennenlernt. Während sich das Schweigen ausdehnt, arbeite ich an meiner Fluchtstrategie, indem ich versuche, diskret den letzten Rest Wein hinunterzukippen, um nicht unhöflich zu wirken. Doch gerade, als ich mich verabschieden möchte, wirft Oscar mir den Löffel hin.
»Da, kosten Sie das«, sagt er schroff. »Beehren Sie mich mit Ihrem Urteil.«
Es ist kochend heiß. Ich versuche, es hinunterzuschlucken, ohne dabei zu verraten, dass mein Gaumen verbrannt ist, und verzögere damit meine Antwort.
»Ja, schmeckt großartig.«
»Kriechen Sie mir ja nicht in den Arsch. Was denken Sie wirklich?«
Er hat mich ertappt, und es ist nicht zu überhören, dass ich die Luft anhalte. »Ich würde vielleicht etwas weniger Chili verwenden, denn so überdeckt es das Zitronengras. Und … o nichts.«
»Was? Wenn jemand was über Krabben wissen muss, dann doch wohl Sie, Fischmädchen.«
»Ich dachte nur gerade, dass eine cremige Avocadosalsa ganz gut dazu passen würde. Um die Schärfe auszugleichen.«
Er lächelt. »Guter Vorschlag, Sie können bleiben«, sagt er und stößt mit mir an. Was soll das bedeuten? Ich kippe den letzten Schluck hinunter.
»Ich sollte gehen.«
»Okay«, sagt er ungerührt. »Ich habe ja Mimi zur Unterhaltung.«
Hier ist keine Mimi. Ist er so unverschämt und hat ein Callgirl als Kurzwahl gespeichert? Küchen sind Brutstätten der Lust, keine Frage, aber das geht dann doch zu weit. Plötzlich erfüllt eine Arie in voller Lautstärke die Küche.
» La Bohème «, sagt er. »Hören Sie einfach zu.«
Ich bleibe wie angewurzelt stehen und brauche einen Moment, bis ich die Schönheit der Musik erfasse.
»Das ist Puccini, nicht wahr? Wunderschön.«
»Das ist der Mann«, sagt Oscar. »Der pisst auf diese anderen Windhunde wie Händel.«
»Pah, Händel. Und erst recht Berlioz, dieser Trottel.«
Er lächelt und wendet sich dann dem Kühlschrank zu. Vermutlich bin ich entlassen und steuere deshalb den Personalraum an, um meinen Mantel und meinen Helm zu holen. Doch als ich zurückkomme, steht er in der Tür.
»Sie gestatten«, sagt er, nimmt mir den Mantel aus der Hand und hilft mir hinein.
»Danke«, sage ich, während ich meine Arme durch die Armlöcher winde, als wäre ich ein Übergeschnappter, dem man eine Zwangsjacke verpasst.
»Ist mir ein Vergnügen«, erwidert er und wartet geduldig ohne Kommentar.
Nachdem ich den Mantel angezogen habe, lässt er seine Hand leicht auf meiner Schulter liegen. Er ist kaum größer als ich, viel kleiner als Dom, was aber seiner Männlichkeit keinen Abbruch tut.
»Gut gemacht«, sagt er leise, als ich einen Schritt zurückgehe. »Sie haben alles richtig gemacht.«
»Was denn? Forellengate oder das mit dem Hineinschlüpfen?«
Oscar lacht. »Forellengate. Sie können vielleicht nicht
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