Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
verschieden sind, unterschiedlichen Aspekten meiner Persönlichkeit entgegen. Abgesehen davon bekam ich wirklich meine Quittung, als ich beide bat, meine Brautjungfern zu sein. Stichwort: Junggesellinnenabend. Natürlich fand Marsha, dass ein authentisches elisabethanisches 8-Gänge-Bankett die ultimative Gaumenfreude wäre – schmackhaft und pädagogisch wertvoll! Aber das war es nicht, und erst recht nicht mehr, als ich während des Pole-Dance-Unterrichts, den Milly direkt im Anschluss daran gebucht hatte, eine ganze Rinderhälfte verdauen musste.
Das Festnetztelefon läutet, ein Klang, der so fremd ist, dass wir beide das Telefon anstarren, als wäre es ein Lebewesen von einem anderen Stern. Entweder ist es ein Kaltanruf, oder es sind die Eltern: in jedem Fall für mich, denn Milly reicht mir den Hörer. »Es ist dein Dad«, gibt sie mir zu verstehen, und ich verziehe mich mit dem zwischen Ohr und Schulter geklemmten Hörer in mein Zimmer.
»Hallo«, melde ich mich schuldbewusst, weil ich mir schmerzlich bewusst bin, wie unkommunikativ ich gewesen bin, seit ich im Ghusto angefangen habe. Vielleicht aber auch schon länger, wenn ich ehrlich bin. »Was machst du gerade?«
»Hallo, meine Liebe!« Ich finde es schön, dass er sich jedes Mal anhört, als wäre er begeistert, den Klang meiner Stimme zu hören. »Wenn du’s genau wissen willst – ich habe meine Hand halbwegs im Hinterteil einer Gans.«
»Klingt nach Schweinerei.«
»Das kann man wohl sagen. Das erfordert so viel Liebe und Aufmerksamkeit wie ein neugeborenes Baby.«
»Dann können wir hoffen, dass du nie einen von uns in den Ofen geschoben hast.«
»Kann mich nicht daran erinnern, nein«, lacht er. »Aber ganz ehrlich, meine Liebe, jede halbe Stunde muss ich das Fett abschöpfen und den kleinen Mistkerl einpinseln. Ich weiß nicht, warum ich mir das angetan habe.«
»Was gibt es dazu?« Ich kenne meinen Vater, er liebt die kulinarische Herausforderung.
»Du bist wie Columbo. Eingelegte Birnen. Mal was anderes. Wann kommst du nach Hause, damit ich dir mein Talent beweisen kann?«
»Hm, ich weiß nicht. Bald. Es ist nicht leicht … du weißt ja, wie das ist, wenn man neu im Job ist.«
Es folgt eine Pause, eine Pause, in der ich mir vorkomme wie eine ganz schlechte Tochter. Aber dann lässt Papa mich vom Haken.
»Nun sag schon, wie ist er denn, dieser Retford? Ich habe im Internet nachgesehen.«
»Man sagt dazu jetzt googeln, Dad«, erwidere ich und liebe ihn noch mehr als sonst.
»Sagt man das? Nun, du Besserwisserin, ich habe Yahoo.«
Er telefoniert mit mir, bis die Gans ihre nächste Intensivversorgung benötigt. Er will gerade an Mum weitergeben, da meldet er sich noch mal.
»Liebling?«
»Ja?«
»Ist alles in Ordnung mit dir? Ich meine …« In diesen Dingen ist Dad etwas unbeholfen. »Die Gefühlsebene.« Mir schnürt es die Kehle zu, und ich bin ihm dankbar für seine linkisch ausgedrückte Besorgnis.
»Jeden Tag besser, Dad. Jeden Tag besser.«
»Das ist mein Mädchen.«
Und dann ist er weg, um Mum zu holen, und ich warte und grabe dabei leicht meine Fingernägel in meine Handflächen.
»Hallo, Liebling«, begrüßt sie mich knapp. »Dad sagt mir, du findest noch immer keine Zeit für einen Besuch.«
Warum nicht mal einen ganzen Satz ohne spitze Bemerkung?
»Ich werde kommen, Mum, aber es ist doch erst mein erster Monat dort. Ich möchte ein paar Tage freinehmen und …«
»Ja, das ist ja auch völlig verständlich«, fällt sie mir in einem Ton ins Wort, der das genaue Gegenteil vermittelt. »Bist du mit diesem schrecklichen Papierkram fertig?«
Die fürchterlichen Scheidungsformulare, wie ich sie hasse. Der Grund, weshalb wir uns getrennt haben, in aller Deutlichkeit und als legaler Tatbestand.
»Ja, Mum. Das vorläufige Scheidungsurteil ist vor ein paar Wochen gekommen. Ehebruch.« Meine Stimme klingt angespannt, aber entweder will sie den Köder nicht annehmen oder bemerkt ihn gar nicht.
»Gutes Mädchen. Sieh zu, dass du es schnell vom Tisch kriegst. Jetzt muss es nur noch rechtskräftig werden. Hast du das mit der Vermögensaufstellung erledigt?«
»Nein, Mum. Dom wird nie auf mein Geld aus sein. Außerdem weiß er sehr gut, dass ich keins habe.« Das ist die Wahrheit. Wie sehr ich ihn auch schlechtmachen mag, traue ich ihm doch nicht zu, dass er mich wegen dreier Bratpfannen und einer Aluminiumkasserolle vor Gericht zerrt.
»Du hast den Erlös des Wohnungsverkaufs.«
»Wir haben gekauft, als die Preise ganz
Weitere Kostenlose Bücher