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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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aufgesprungen. In der Einsamkeit der folgenden Jahre tröstete ihn nur der Gedanke etwas, daß seine Mutter mit seiner Handlungsweise einverstanden gewesen wäre.
    »Ganz ehrlich, Kleiner«, sagte Owen, »du bist mir abgegangen. So wie es für den Alten nach Mutters Tod nicht mehr wie früher war, ging es mir mit dir, nachdem du weg warst.«
    Irgendwie klang Owen aufrichtig, genau wie Toby in seinen anständigen wie auch bösartigen Phasen.
    »Komm, ich zeig' dir was«, fuhr Owen fort, bog um die Ecke eines Gebäudes und winkte dem uniformierten Pinkerton-Wächter auf seinem Segeltuchstuhl zu. Clay stellte sich neben ihn auf den Grashügel, von dem aus man eine hübsche Aussicht auf die weißen Häuser von Louisville hatte. Owen betrachtete wohlgefällig den muskulösen Fuchsschimmel, den ein kleiner, drahtiger Mann mit ledergegerbter Haut und sonnengebleichten Haarstoppeln abrieb. Als Owen ihn, ohne den Blick von dem Hengst zu lassen, als Eric Millar vorstellte, verzog der keine Miene. Plötzlich raste ein großer Dobermann heran, fletschte die Zähne und starrte Clay feindselig an.
    Owen schnalzte mit den Fingern, und der Hund trollte sich wieder. »Manche Rennpferde brauchen Katzen, Ziegen oder Vögel als Gesellschafter. Fireaways Stallgenosse ist Max hier.« Er wandte den Kopf zu Clay. »Na, was hältst du von der Mähre?«
    Fireaway war alles andere als ein Klepper. Der Körper wohlproportioniert, der Rahmen bedeutend, das samtene Fell schimmerte erdbeerrot. Clay kannte die edle Abstammung des Tieres und seine imponierenden Erfolge. Nur dessen Augen gefielen ihm nicht – zu indifferent.
    »Macht bei jedem Schritt Schwierigkeiten«, kommentierte Owen. »Ein bissiges Luder, das sogar die eigenen Fohlen zerfleischen würde, wenn man ihn ließe«, fügte er wohlwollend – mit einem Anflug von Respekt und Stolz? – hinzu. Er klopfte ihm mit der flachen Hand auf die Hinterhand, und das Pferd zog die Lippen zurück. Owen lachte. »Hat seinen eigenen Kopf und pullt. Der Jockey muß mit ihm auf der ganzen Strecke kämpfen.«
    Wenn Clay etwas von Pferden verstand, dann war es dies, daß es keine von Natur aus bösartigen Tiere gab. Untugenden waren das Resultat der Behandlung – sei es durch Unkenntnis, Sorglosigkeit oder durch Pferdeknechte und Bereiter, denen es Spaß machte, den Tieren mit harter Hand zu zeigen, wer der Herr war. Es war eine Binsenwahrheit, daß man von den Pferden den Charakter ihrer Betreuer ablesen konnte. Jason Arnold, Starbrights Trainer, hatte Clay diese Beobachtung bestätigt. Was seine Gedanken zu Blue Ridge und Andrew Cameron abschweifen ließ und zu Andrew Camerons Tochter.
    Clay merkte, wie sein Bruder ihn mit einem halben Lächeln fixierte. »Was hältst du von einem kräftigen Begrüßungsschluck? Eric hat immer eine Pulle in seinem Wohnwagen.« Er rieb sich die Hände. »Es ist schon lausig kalt in der Gegend, ehe die Sonne aufgeht.«
    Clay schüttelte den Kopf. »Was ich jetzt brauche, ist Kaffee und was zu futtern.« Verdammt, jetzt verfiel er auch schon in Tobys Jargon. Futtern hatte er seit Jahren nicht mehr gesagt.
    »Fireaway ist ein Stalltreter«, ließ Owen sich weiter aus. »Was haben wir nicht schon alles versucht, alte Reifen hineingelegt, damit er stolpert, eine Kette von der Decke gehängt, schließlich seine Vorderbeine gefesselt. Aber es hat ihn nur bösartiger gemacht. Aber lass dir von seinem Trainer sagen: mit ihm wirst du rechnen müssen. Die sonstige Konkurrenz kannst du vergessen!«
    »Ich werde es Hotspur und seinem Jockey sagen«, entgegnete Clay. »Vielleicht machen sie es für dich ein bißchen langsamer.«
    Owen lachte lauthals. »Immer der alte. Pfeift im Dunkeln gegen das Bangewerden.«
    Ohne darauf einzugehen, sagte Clay: »Den Nachrichten im Rundfunk zufolge ist es nicht sicher, ob Fireaway laufen wird.«
    »Mach dir keine Hoffnungen, Clay. Das hängt von der Witwe ab, und die Dame wird tun, was ihr Trainer empfiehlt. Darauf kannst du dich verlassen.«
    Clay nahm dies verblüfft zur Kenntnis, ohne an Owens Worten zu zweifeln; er hatte immer seinen Kopf durchgesetzt. Würde aber Fireaway auf Wunsch des Verstorbenen oder auf Wunsch Owens starten?
    Als sie die Stufen der Rennbahnkantine, die wie ein verwittertes Prärie-Farmhaus aussah, hinaufstiegen und sich an der Theke anstellten, entdeckte Clay Zach vor einem reichhaltig gefüllten Tablett, das er mit Appetit betrachtete. Er wußte, daß die meisten Turfleute Flippen, wie sie es nannten, komisch

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