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Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Titel: Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael M. Bonelli
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Affekten von Groll, Bitterkeit und Verzweiflung, weint häufig, hegt Lebensüberdruss-Gedanken, lehnt Hilfsangebote von Freunden ab und vernachlässigt ihr Äußeres. Insbesondere vermeidet sie den Kontakt zu ehemaligen Arbeitskollegen (»Die haben mich im Stich gelassen.«) und die räumliche Nähe zum Seniorenheim (»Wenn ich nur daran denke, kommen alle Erinnerungen mit Bitterkeit hoch, und ich verliere völlig die Fassung.«).

ANALYSE: Die Patientin ist verbittert, weil sie sich ungerecht behandelt vorkommt. In ihrem Selbstbild (Grundannahme) ist sie unbedingt für den Betrieb notwendig und deswegen unkündbar. Aus diesem Grund stellt die Kündigung ihre zentrale Grundannahme in Frage. Dabei hat sie sich in einer langsam wachsenden Selbstüberschätzung zunehmend in eine Lage gebracht, in der die Kündigung schlussendlich nachvollziehbar ist. Da sie nicht bereit ist, ihr Selbstbild zu korrigieren, interpretiert sie die Realität im Sinne der Fremdbeschuldigung um, kann aus ihren Fehlern nicht lernen, blockiert sich selbst in der Opferrolle und kann ihr Scheitern nicht fruchtbar machen.
    Psychotherapie der Verbitterung
    Die lange, manchmal sogar lebenslange Dauer der Verbitterung kommt dadurch zustande, dass die Betroffenen oft in einer passiven Opferrolle verharren. Insbesondere die trotzige Verbitterungsemotion führt dann häufig zu einer Ablehnung aller therapeutischen Hilfsangebote: »Die Welt kann ruhig sehen, was mir angetan wurde.« Eine Therapie wird schließlich auch erschwert durch eine fatalistisch anmutende, resignative und aggressive Grundhaltung der Patienten, die den Aufbau neuer Lebensperspektiven blockiert. Da hat ein Unternehmer eine Firma aufgebaut – aber die Erben richten sie zugrunde; ein Abteilungsleiter zieht eine Reform durch – aber der Nachfolger revidiert sie. Im Fall der Renate W. (Fall 30) war ihre Grundüberzeugung, unersetzlich für das Seniorenheim zu sein, Grund für die zunehmende Vernachlässigung ihrer Pflichten. Dadurch hat sie jene Kündigung mitverursacht, die ihren Grundannahmen massiv zuwiderlief. Man sieht mächtige Männer, die in den Pensionsschock verfallen und darüber verbittern, dass die Nachfolger alles anders machen – also falsch. Aber es gibt auch umgekehrt Fälle, wo das Ablösen von der früheren Wichtigkeit in der Pension gelingt, indem eine neue, erfüllende Aufgabe gefunden wird. Oft wird erst in dieser Phase die Ressource Familie in ihrer vollen Dimension erkannt.
    Es bildet sich eine Unversöhnlichkeit, die das Verstehen der anderen Seite unmöglich macht. Aus Trotz gehen viele nicht in Therapie, sondern verbohren sich im eigenen Unglück. Das hat zwar den positiven Nebeneffekt, dass das Umfeld (manchmal und kurzzeitig) Mitleid bekundet, doch bietet das bloß eine bittere und kurze Befriedigung. Zudem verstärkt Mitleid in diesem Fall bloß die passive Haltung und erschwert aktive Änderungen.
    Verbitterte wollen die absolute Gerechtigkeit hier und jetzt erleben. Wie Michael Kohlhaas. Man kommt jedoch erst durch die Erkenntnis weiter, dass diese Gerechtigkeit auf Erden nicht existiert und man sich letztlich mit mancher Ungerechtigkeit zufrieden geben muss.
    Michael Linden hat für die Behandlung die sogenannte Weisheitstherapie entwickelt. Es geht darum, das erlittene Unrecht zu ertragen, statt an ihm zu verzweifeln. Der Wissenschaftler hat zwölf Weisheitskriterien zusammengetragen: Perspektivwechsel (die Fähigkeit, im Fall 29 die Perspektive des Radfahrers einzunehmen), Selbstdistanz (die Relativierung der eigenen Bauchgefühle), Empathie (wie fühlt sich ein Radfahrer, dem täglich überlange Autos den Weg abschneiden?), Emotionswahrnehmung und Emotionsakzeptanz (was ist mein Bauchgefühl, und was sagt meine Vernunft?), emotionale Serenität und Humor (»Du aufgeregtes kleines Hähnchen! Plusterst dich hier auf und krähst!«), Fakten- und Problemlösewissen (die Kleber gehören weg, dann ist alles wieder okay), Kontextualismus (das Pickerl als Folge des Falschparkens), Wertrelativismus (es gibt auf Erden keine absolute Gerechtigkeit), Selbstrelativierung (nimm dich nicht so wichtig), Ungewissheitstoleranz (ich werde nie herausfinden, wer das gewesen ist), Nachhaltigkeit (der reale Schaden ist mickrig) sowie Problem- und Anspruchsrelativierung (andere haben wirkliche Probleme).
    In der Therapie der Verbitterung versucht man zunächst, bei anderen »unlösbaren« Fällen die Perspektive zu wechseln. Hierbei werden dem Patienten beispielsweise

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